Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
keinesfalls fliegende Teppiche – sind das übliche Transportmittel der Dschinn. Kein Dschinn, der etwas auf sich hält, würde sich jemals mit etwas so Abgedroschenem wie einem fliegenden Teppich blicken lassen.) Sie waren auf dem Weg zur nahe gelegenen Insel Sagar, die in der Mündung des heiligen Flusses Ganges liegt, und zum Tempel der Fünfundneunzig Kuppeln.
»Über diesen Namen habe ich mich schon immer gewundert «, sagte Nimrod, als er den Wirbelsturm zum Rand eines großen Teiches lenkte, der hinter dem Tempel lag. »Ich habe die Kuppeln schon mehrfach gezählt und in Wirklichkeit sind es einhundertundelf.«
»Die Irdischen, die diesen Tempel errichtet haben, waren genügsame Leute«, erwiderte Mr Rakshasas. »Sie wollten sicher vermeiden, dass man sie für Aufschneider hält. Zu behaupten, dass ein Tempel fünfundneunzig Kuppeln besitzt, während es in Wirklichkeit einhundertundelf sind, zeigt einfach, wie bescheiden sie sind. Außerdem hat man es mit dem Zählen in diesem Teil der Welt noch nie sehr genau genommen. Eine ehrlich erworbene Rupie ist mehr wert als tausend anderweitig verdiente.«
Gleich nach der Landung sammelten Nimrod und Mr Rakshasas mehrere große Seerosenblätter, stellten brennende Kerzen darauf und legten ein paar Hände voll Geleebohnen dazu, die Mr Rakshasas extra aus einem Bonbonladen in London mitgebracht hatte. Dann ließen sie die kleine Flottille auf den Zauberhaft ruhigen Teich hinausschwimmen und warteten.
Nimrod aß unterdessen einige Geleebohnen. »Ich hatte ganz vergessen, wie gut sie schmecken«, sagte er zu Mr Rakshasas.
»Sie sind ein wahres Leckermaul, Nimrod. Aber mehr sollten Sie nicht essen, sonst bleiben keine übrig, die ich ihm anbieten kann, falls er die Bohnen, die wir ihm geschickt haben, schon aufgegessen hat.«
»Ist der Grüne Derwisch so versessen auf Geleebohnen?«
»O ja. Besonders auf grüne. Die einfachsten Dinge sind ihm am liebsten, denke ich.«
Endlich tauchte am Horizont eine Gestalt auf. Sie hockte im Schneidersitz auf einem Delfin – was nicht gerade die einfachste Art ist, einen Delfin zu reiten – und kam auf die beiden zu, indem sie das Tier mit einem langen schwarzen Stock lenkte. Der Grüne Derwisch war lediglich mit einem winzigen orangefarbenen Lendenschurz und einem Kranz aus farblich passenden Blumen bekleidet und er trug seinen Namen völlig zu Recht, denn seine Haut war von einem ins Grünliche hinüberspielenden Dunkelbraun. Mit seiner schönen, kräftigen Statur, der glatt rasierten Haut und dem ungewöhnlich langen schwarzen Haar, das ihm bis in den Schoß fiel, wirkte der Grüne Derwisch, der in Wirklichkeit ein Engel war, eher wie ein Ringer. Er kam ans Ufer, wo die beiden Dschinn standen, blieb aber auf dem Delfin sitzen.
Mr Rakshasas legte vor dem Herzen die Hände aneinander und verbeugte sich.
»Namasté«
, sagte er und gebrauchte eine bekannte hinduistische Grußformel. Nimrod machte es genauso.
»Namasté«
, sagte der Grüne Derwisch. Er berührte mit dem kleinen Finger einen winzigen grünen Smaragd auf seiner Stirn und richtete den Finger dann auf die beiden Dschinn. Ein warmes grünes Licht umhüllte sie sekundenlang,nährte das Mark in ihren Knochen und das geheime Feuer in ihren Seelen.
»Ich danke Euch«, sagte Mr Rakshasas. »Das war überaus angenehm.«
»Ich danke Euch für die Geleebohnen. Habt Ihr noch mehr davon?«
Mr Rakshasas übergab ihm den letzten Beutel und verbeugte sich wieder. »Dies ist mein guter Freund Nimrod«, sagte er.
Nimrod verbeugte sich erneut.
»Seid mir willkommen«, sagte der Grüne Derwisch und schob sich eine weitere Geleebohne in den Mund.
»Wir suchen Informationen«, sagte Mr Rakshasas.
»Über den Naga-Kult der Neun Kobras?«, fragte der Derwisch, denn im Gegensatz zu Dschinn können Engel Gedanken lesen. »Ja, das kann ich erkennen. Und es ist so, wie Ihr bereits vermutet habt. Die Neun Kobras sind der Nachfolger der Acht Kobras, die vor vielen, vielen Jahren existierten.«
»Wie immer versteht Ihr alles«, sagte Mr Rakshasas und lächelte den Grünen Derwisch freundlich an. Aber es waren nicht nur die Ansichten des Grünen Derwischs, die ihn interessierten. Hier ging es auch um eine Art überirdische Diplomatie, die gepflegt werden musste. Indien ist ein uraltes Land, voller Traditionen und örtlicher Gebräuche, auf die selbst Dschinn Rücksicht zu nehmen haben. Neben dem Rat des Grünen Derwischs wollten Mr Rakshasas und Nimrod
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