Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
sehe das ganz ähnlich. Er ließ mich hier wohnen, ohne groß zu fragen, und hat nie versucht, mir schlaue Ratschläge zu geben. Was für einen Silbernacken-Gorilla ziemlich typisch ist und sie zu so hervorragenden Butlern macht. Im Gegensatz zu Menschen, die von Natur aus ziemlich geschwätzig sind, können Gorillas den Mund halten und die Privatsphäre anderer Leute respektieren.«
Betroffen stellte Philippa fest, dass Dybbuk sie bei diesen Worten ansah, und sie fragte sich, ob er vielleicht erraten hatte, wie gern sie ihn etwas über seine Schwester Faustina gefragt hätte.
»Es tut mir leid, was passiert ist, Max«, fügte er abschließend hinzu. »Ehrlich. Du wirst mir fehlen, Kumpel. Du warst ein echter Gentleman.«
Dann sah Philippa überrascht, wie Dybbuk sich mit einemweißen Taschentuch über die Augen fuhr. Es überraschte sie nicht, ihn wieder weinen zu sehen, sondern festzustellen, dass er ein sauberes Taschentuch besaß.
Nach der Beerdigung fällten sie einige kleine Bäume und errichteten auf dem Rasen eine Art Iglugerüst, das sie anschließend mit Teppichen und alten Decken abdeckten, bis die Hütte gegen die Außenluft gut abgeschirmt war. Zum Schluss hoben sie in der Hütte eine flache Mulde aus, in die sie die heißen Steine legten. Dann besprengten sie die Steine mit kaltem Wasser, das sich augenblicklich in Dampf verwandelte, sodass die Temperatur in ihrer improvisierten Schwitzhütte im Nu anstieg, bis es drinnen heißer war als in einem tropischen Dschungel. Die drei jungen Dschinn zogen sich bis auf die Unterwäsche aus und krochen hinein.
Nach und nach erwärmte die Hitze ihr Fleisch, kroch ihnen in die Knochen und ins Mark, bis die Flamme, die in allen Dschinn brannte, ohne dass sie davon Schaden nahmen, angefacht wurde und zu lodern begann und sie spürten, wie ihre Kräfte zurückkehrten.
»Schon besser«, sagte John, goss mehr Wasser auf die Steine und erhöhte dadurch nochmals die Temperatur in der Schwitzhütte. »So, wie ich mich jetzt fühle, könnte ich selbst dem habgierigsten Menschen auf der Welt drei Wünsche erfüllen.«
»Also, wer macht es?«, fragte Dybbuk. »Wer von uns will sich in Hendrix verwandeln?«
»Er ist jetzt deine Katze«, sagte Philippa zu ihm. »Vielleicht solltest du es tun.«
»Das schon, aber es war deine Idee«, erwiderte Dybbuk.»Außerdem lege ich keinen großen Wert darauf, mit anzusehen, was Brad und seinem Dad widerfahren ist. Geschweige denn Max. Sie waren meine Freunde.«
Philippa nickte. »Kann ich verstehen.« Achselzuckend sagte sie: »Okay, dann mache ich es.«
»Ich hole den Katzenkorb«, sagte Dybbuk und kroch Richtung Ausgang. »Lass mir ein paar Minuten Zeit, ehe du irgendwas unternimmst. Ja?«
»Okay.«
Sobald junge Dschinn ihre Weisheitszähne verloren und ihr Tammuz durchlaufen haben – das Initiationsritual, das ihren Eintritt in die Welt der Dschinn ankündigt –, gehören Verwandlungen in Tiere oder Menschen zu den ersten Lektionen, die sie lernen. Philippa besaß auf diesem Gebiet schon einige Erfahrung, da sie sich bereits in ein Kamel, ein Eichhörnchen und in einen ägyptischen Polizisten verwandelt hatte. Sie wartete, bis sie Dybbuk zur Schwitzhütte zurückkommen hörte, schloss dann die Augen und richtete ihre ganze Konzentration auf eine einzige Stelle in der Mitte ihrer Stirn, sodass ihr ganzes Wesen Sonnenstrahlen glich, die von einer Lupe gebündelt wurden, als sie ihr Fokuswort aussprach:
»FABELHAFTIGANTISCHWUNDERLICHERICH!«
Es war dunkel drinnen in der Schwitzhütte, deshalb kroch John, sobald er seine Schwester das Fokuswort murmeln hörte, nach draußen, um zuzusehen.
Sekunden später hörten er und Dybbuk ein lautes Miauen aus dem Katzenkorb, mit dem Philippa ihnen signalisierte, dass sie sich nun in Hendrix’ Innern befand.
Sie blieb dort mehrere Minuten lang, denn obwohl dasGedächtnis einer Katze recht selektiv arbeitet, ist es doch fast zweihundertmal aufnahmefähiger als das eines Hundes und speichert eine Zeitspanne von bis zu zwei Wochen, womit es sogar einen Orang-Utan übertrifft. Als Philippa schließlich in ihrem eigenen Körper wieder aus der Hütte kroch, sah sie die Jungen mit großen Augen an und pfiff überrascht vor sich hin.
»Ich hatte ja keine Ahnung, dass Katzen ein so interessantes Leben führen«, sagte sie. »Das ganze Gerede von sieben Leben stimmt. Nur dass die Leben nicht hinter-, sondern nebeneinander stattfinden. Alle gleichzeitig.«
»Das ist doch jetzt egal«,
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