Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
wurde.
»John! Pass auf! Du verbrennst es noch!« Philippa riss ihrem achtlosen Bruder das Blatt gerade noch rechtzeitig aus der Hand, bevor es versengt wurde. Sie wollte losschimpfen, beherrschte sich dann aber. »Wartet mal«, sagte sie. »Mit dem Bild passiert irgendwas.«
Die drei betrachteten das Blatt aufmerksam und sahen, dass Philippa Recht hatte. Mit dem Bild geschah tatsächlich etwas, genauer gesagt, mit dem Papier, auf das es gemalt war. Nach und nach kamen, direkt über der rosafarbenen Festung, mehrere Reihen mit Symbolen zum Vorschein, eine Art unsichtbare Botschaft, die durch die Hitze des Feuers wieder sichtbar wurde.
»Wow!«, rief John. »Eine Geheimschrift.«
Philippa hielt das Bild noch einmal ans Feuer und ließ die Hitze vorsichtig über das ganze Blatt wandern, sodass kein Symbol verborgen blieb. Als die Botschaft vollständig sichtbar war, legten sie das Bild wieder auf den Boden und betrachteten es aufmerksam.
»Das ist überhaupt keine Schrift«, stellte Dybbuk schließlich fest. »Das sind tanzende Schlangen.«
»Sieht aus wie ein Haufen Gekritzel«, meinte John.
»Nur dass sich bestimmt niemand die Mühe gemacht hätte, einen Haufen Gekritzel in Geheimschrift abzufassen«, sagte Dybbuk.
»Und niemand würde für einen Haufen Gekritzel morden«, meinte Philippa. »Nein, es ist sonnenklar, dass diese tanzenden Schlangen etwas zu bedeuten haben.«
»Vielleicht eine Art Code«, vermutete John.
»Genau«, sagte Philippa. »Den wir knacken müssen, wenn wir jemals herausfinden wollen, um was es hier eigentlich geht.« Sie seufzte. »Wenn doch nur Mr Rakshasas nicht weggefahren wäre. Ich wette, er könnte uns etwas dazu sagen, was das zu bedeuten hat und wer diese Leute sind.«
»Lange kann er nicht fortbleiben wollen«, sagte John. »Hat Groanin nicht gesagt, dass er seine Lampe in London gelassen hat?«
»Das stimmt.«
»In diesem Fall«, meinte John, »sind er und Nimrod vielleicht schon wieder zurück, bis wir in London ankommen.«
»London?«, rief Dybbuk. »Wer hat was von London gesagt?«
»Willst du lieber hierbleiben?«, fragte John. »Was ist, wenn die Leute, die Max umgebracht haben, zurückkommen?«
»Aber wie sollen wir hinkommen? Es ist eiskalt über dem Atlantik. Und ich riskiere nicht meinen Hals, indem ich noch mal mit einem Wirbelsturm fliege.«
»Es gibt noch andere Arten zu fliegen, Buck«, sagte Philippa. »Auch für einen Dschinn.«
»Aber dafür brauchen wir Geld, Pässe, Tickets und Kleidung.Und was passiert mit Hendrix? Wir können ihn weder hier auf der Insel lassen, noch ihn ins Flugzeug mitnehmen.«
»Ich habe eine Idee«, sagte John. »Erinnerst du dich an den alten Bootsverleiher, Phil?«, fragte er seine Schwester.
»Natürlich«, sagte sie. »Seine Katze ist gestorben. Und er fühlt sich einsam, hat er gesagt.«
John nickte. »Genau. Er scheint ein netter Kerl zu sein. Ich bin sicher, dass er sich über eine Katze freuen würde.«
Dybbuk nickte. »Okay«, sagte er. »Hört sich gut an.«
»Womit uns nur noch solche Kleinigkeiten wie Tickets, Geld und Kleidung fehlen.« John hob einen Stein auf und legte ihn in die Glut. »Sieht aus, als müssten wir uns noch mal in die Schwitzhütte setzen.«
Der Grüne Derwisch
Auf der Suche nach dem Kult der Neun Kobras waren Nimrod und Mr Rakshasas von London nach Kalkutta geflogen, wo sie aus dem klimatisierten Flughafengebäude traten und beglückt lächelten, als ihnen die glühende Hitze Indiens mit ihrem heißen, peitschenden Wind die Gesichter wärmte. Obwohl es noch nicht einmal Mittag war, betrug die Temperatur bereits 46 Grad Celsius – ideal, wenn man zufällig ein Dschinn war, aber für die meisten Menschen völlig unerträglich. Selbst die Fliegen ließen sie in Ruhe, aus dem einfachen Grund, weil Insekten das intensiv nach Schwefel schmeckende Blut der Dschinn nicht mögen. Anders verhielt es sich mit den unzähligen Bettlern von Kalkutta. Jedes Mal, wenn der Wagen, mit dem Nimrod und Mr Rakshasas zu ihrem Hotel fuhren, an einer roten Ampel hielt, klopften Kinder an die Scheiben und baten um ein paar Münzen oder die Anhänger irgendeines Hindu-Kults oder Aschrams versuchten einen Handzettel ins Auto zu reichen, der die Vorzüge von Meditation, Yoga oder Ayurveda anpries.
Die beiden Dschinn verbrachten die Nacht in der größten Suite des Grandhotels und reisten früh am nächsten Morgen, als alle anderen noch schliefen, mit einem Wirbelsturm ab.(Wirbelstürme – und
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