Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
nichts anderes.«
»Doch halt, meine Freunde!«, rief der Guru und brachte seine Anhänger wieder zum Schweigen. »Um die Macht über den Tod zu demonstrieren, ist es manchmal notwendig, dem Tod selbst ins Auge zu sehen. Wir müssen aufhören, seine Macht zu bewundern. Keinem Normalsterblichen ist gegeben, zu tun, was ich tue, wie ihr gleich erleben werdet! Ihr habt gesehen, wie oft ich überlebt habe, und ihr werdet den Tod sehen. Bringt den Gefangenen.«
Das Publikum teilte sich, als am anderen Ende des Tempels ein
Sadhak
einen Mann nach vorn führte. Man hatte ihm die Hände auf dem Rücken zusammengebunden und sein Gesicht war kalkweiß vor Angst.
Den Kindern stockte der Atem, denn der Mann, den Guru Masamjhasara zum Sterben auserkoren hatte, war niemand anderes als Groanin.
Kaltblütig
»Wir müssen etwas unternehmen«, sagte John. »Wir können nicht zulassen, dass Groanin von einer Schlange gebissen wird, von neun ganz zu schweigen. Neuer Arm hin oder her, er würde mit Sicherheit sterben.«
»Falls du’s vergessen hast«, sagte Dybbuk. »Wir sind völlig machtlos.«
»Nicht ganz«, sagte John.
»Das versteh ich nicht«, sagte Dybbuk. »Worauf willst du hinaus?«
»Dass wir Groanins Stelle einnehmen, natürlich«, sagte John. »Immerhin sind wir gegen Kobragift immun. Das hat der Baron gesagt.«
»Gute Idee«, pflichtete Philippa ihrem Bruder bei.
»Gute Idee?« Dybbuk klang skeptisch. »Aber vielleicht gibt es einen Unterschied, ob man gegen das Gift einer Schlange immun ist oder gegen das von neun. Habt ihr daran schon gedacht? Und nehmen wir mal an, eine dieser Schlangen ist ein Dschinn. Habt ihr daran gedacht? Oder nehmen wir an, der Baron hat sich getäuscht. Oder gelogen.«
»Ich dachte, du wüsstest über alles Bescheid«, sagte John. »Als der Baron erzählt hat, dass wir immun sind, hast du so getan, als wärst du komplett im Bilde.«
»Okay, ich hab gelogen. Ich wusste nicht mehr darüber als ihr.«
»Warum sollte der Baron lügen?«, überlegte Philippa. »Ich fand ihn sehr nett.«
»Er war komplett verrückt«, beharrte Dybbuk. »Nur ein Verrückter verbringt die Hälfte seines Lebens als Yeti. Und selbst wenn es nicht gelogen war, hat er uns nicht erklärt, wie diese Immunität funktioniert. Was ist, wenn sie nur wirkt, solange unsere Dschinnkräfte intakt sind? Was, wenn wir bei Kälte nicht immun sind? Schließlich ist es kalt. Also haben wir vielleicht gute Aussichten, da unten ums Leben zu kommen.«
»Immer noch besser als überhaupt keine Aussichten«, sagte John. »Das ist nämlich Groanins Los, wenn wir nichts unternehmen.«
»John hat Recht«, zischte Philippa.
»Und was passiert dann?«, wollte Dybbuk wissen. »Nehmen wir an, wir werden gebissen und sterben nicht. Wie sieht das aus?«
John schüttelte ungeduldig den Kopf. »Wir haben nicht auf alles eine Antwort. Das stimmt, Buck. Aber zum Streiten ist jetzt keine Zeit. Außerdem müssen wir nicht alle gehen. Hier.« Er nahm Dybbuk die Taschenlampe ab und gab sie, zusammen mit dem Lederbeutel, in dem der Kobrakönig steckte, an Philippa weiter. »Nehmt den Kobrakönig und versteckt ihn. Und sucht einen anderen Weg nach draußen.«
Philippa zögerte einen Moment, folgte dann aber den Anweisungen ihres Bruders. Es führte zu nichts, wenn sie beide erwischt wurden. Besonders dann, wenn sie den Kobrakönig bei sich hatten. »Sei vorsichtig, John«, sagte sie, ehe siedie Leiter hinabstieg, um durch den Tunnel zurückzugehen. Dybbuk folgte ihr.
John kletterte auf die oberste Leitersprosse, packte die gespaltene Schlangenzunge und begann sich langsam in den Höhlentempel hinabzulassen.
»Wartet!«, rief er dem Guru unter sich zu. »Stopp. Lasst ihn in Ruhe.«
Stimmen wurden laut und starke Hände packten John, als er, an die Schlangenzunge geklammert, einen Moment lang über dem Kopf des Gurus schaukelte.
»Ich habe zwar schon von Schlangen gehört, die ihr Futter wiederkäuen«, sagte der Guru, »aber das ist wirklich die Höhe.«
Er ließ die Schlangen, die er in den Händen hielt, in den Glasbehälter zurückfallen und wandte sich dann mit seinem gewohnten Kichern John zu. »Weißt du was?«, sagte er und packte John am Arm. »Ich hatte keine Ahnung, dass diese Statue hohl ist. Obwohl mir die Stätte schon seit zehn Jahren gehört, hatte ich keine Ahnung. Kannst du dir das vorstellen? Was hast du überhaupt dort oben gemacht?«
»Sie ausspioniert«, antwortete John. Er sah zu Groanin hinüber und nickte ihm
Weitere Kostenlose Bücher