Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
Giftzähne verfehlten die Nase des englischen Butlers um wenige Zentimeter.
Philippa schrie auf.
»Das nächste Mal hat er vielleicht nicht so viel Glück«, sagte Guru Masamjhasara und ignorierte einen Biss in seine eigene Hand. »Ihr seid Dschinn, nicht wahr?«, sagte er, an John gewandt. »Nur Dschinn können einen Biss verkraften, wie du ihn eben erhalten hast, und die Sache überleben.«
»Okay. Ja, wir sind Dschinn«, gestand Dybbuk.
»Alle drei?«
»Ja, alle drei. Und jetzt lassen Sie ihn in Ruhe. Er ist ein Mensch. Wenn er gebissen wird, stirbt er.«
Der Guru kicherte und warf die Schlange in den Behälter zurück. »So, so, Dschinn. Dann legt los und verwandelt mich in eine Ratte.«
»Ich wünschte, wir könnten es«, sagte Dybbuk. »Dann würde ich Sie an die Schlangen verfüttern. Aber wahrscheinlich würden die Viecher krepieren, weil Sie so dreckig sind.«
»Gewährt mir drei Wünsche und ich lasse euch gehen.« DerGuru lachte. »Nein. Das habe ich mir gedacht. Ihr habt keine Dschinnkräfte, nicht wahr? Nicht hier drinnen, wo es viel zu kalt ist für euer heißes Dschinnblut.«
»Wenn er herkommt«, sagte Philippa, »wird Mr Rakshasas Sie in das Stinktier verwandeln, das Sie in Wirklichkeit sind.«
Guru Masamjhasara klatschte in die Hände. »Die Audienz ist vorbei«, erklärte er seinen Anhängern. Und mit einem Seitenblick auf Mr Bhuttote fügte er hinzu: »Nehmt sie mit. Da ist etwas, was ich unseren Ehrengästen zeigen möchte.«
Sie verließen den unterirdischen Tempel, passierten eine gläserne Schiebetür und betraten etwas, das wie ein wissenschaftliches Laboratorium wirkte. Die weißen Wände sahen genauso aus wie die Decke, die genauso aussah wie der Boden, und es roch stark nach Chemikalien. Hier drinnen war es sogar noch kälter als im Höhlentempel, und direkt hinter der Schiebetür befand sich eine Wäscheleine, auf der einige teure Pelzmäntel hingen. Der Guru trug bereits wieder seinen eigenen Pelz und in die anderen kleideten sich jetzt die Schläger seiner Leibwächtertruppe.
Auch Dybbuk griff nach einem Mantel, wurde aber vom Guru davon abgehalten, ihn anzuziehen. »Nein«, sagte er. »So, wie du jetzt bist, gefällst du mir besser. Halb erfroren, um genau zu sein.« Dann deutete er auf Groanin und kicherte. »Aber er kann einen anziehen. Wenn er in Hitze gerät, haben wir nichts zu befürchten.«
Erleichtert zog sich Groanin einen der Pelzmäntel über, während der Guru mit der Hand auf den modern aussehenden Korridor wies, der vor ihnen lag. »Wir halten hier alles aufeiner Temperatur knapp unter dem Gefrierpunkt. Diese hochmoderne medizinische Einrichtung ist das Herzstück des Aschrams. Und ihr werdet gleich sehen, warum.« Er führte sie durch eine weitere Glasschiebetür, die er mit Hilfe eines numerischen Tastenfeldes öffnete. »Die Sicherheitsmaßnahmen sind natürlich sehr streng«, sagte er. »Wie es sich gehört, wenn man bedenkt, welchen Schatz ich hier aufbewahre.« Er hielt immer noch den Kobrakönig von Kathmandu in der Hand und schwenkte ihn triumphierend. »Einen ebenso großen Schatz wie diesen hier. Vielleicht sogar noch größer.«
Sie betraten nun eine Art kleiner exklusiver Krankenstation. Es gab mehrere leere Betten und jede Menge medizinisches Gerät. Ein Pfleger saß in einem Thermoanzug an einem Tisch und überwachte mehrere Computer, während ein anderer mit einer Sackkarre eine Flasche flüssigen Stickstoff transportierte.
»Ein Glück, dass meine Anhänger so großzügig mit ihrem Geld umgehen«, gluckste der Guru. »Unsere Rechnungen für Flüssigstickstoff und Trockeneis sind gewaltig. Wir lassen es einmal pro Woche per Hubschrauber einfliegen. Hier oben auf dem Felsen sind wir natürlich nicht gerade die unkomplizierteste Lieferadresse. Man könnte sagen, es ist der Preis, den wir für unsere Privatsphäre bezahlen. Es kostet Tausende von Rupien, eine Einrichtung wie diese zu finanzieren. Ihr könnt also nicht behaupten, wir würden uns nicht um unsere Ehrengäste kümmern.«
Der Guru schob einen weißen Vorhang beiseite und enthüllte zwei weitere Betten, auf denen zwei Gestalten in orangefarbenen Schlafanzügen lagen. Auf der Brust und am Kopfder Männer waren Schläuche und Drähte befestigt, die ihre Vitalfunktionen überwachten, und beide schienen bewusstlos zu sein, ob schlafend oder im Koma, war für die Kinder schwer zu sagen.
Philippa verschlug es den Atem. John ballte die Fäuste und knirschte mit den Zähnen.
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