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Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya

Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya

Titel: Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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mit ungläubiger Wut an.
    »Sie bornierter, arroganter englischer Snob«, fauchte er und schlug der alten Dame die Tasse samt Untertasse aus der behandschuhten Hand.
    »Habe ich irgendwas gesagt?«, fragte My.
    Was als Nächstes geschah, war schwer zu sagen, außer dass auch Nimrod seine Teetasse fortwarf und aufsprang. Ein gewaltiger Blitz leuchtete auf, und es knallte, als sei eine Granate explodiert, außerdem roch es stark nach Schwefel, als habe soeben jemand mehrere Tausend Streichhölzer angezündet.
    Selbst John mit seinen flinken Augen hätte nicht sagen können, was mit Mr   Burton geschah, nur dass dort, wo eben noch der ruhige englische Fakir gestanden hatte, sich nun ein brüllender, bestialisch aussehender Mann befand. Er war fast zweieinhalb Meter groß, von glatter, einheitlich roter Nacktheit und hatte kaum menschliche Züge, als sei er soeben einem Töpfer in halb fertigem Zustand von der Töpferscheibe gesprungen.
    Das Geschöpf zog eine schauerliche Grimasse und stampfte so wild mit dem tönernen Fuß auf, dass der Boden zu beben schien. Dann schlug er einen rechten Haken, der nur knapp die Spitze von Nimrods langer, dünner Nase verfehlte und an einem Felsen landete, der in tausend Stücke zersprang. Wie ein Hagelsturm prasselten Staub und Splitter aus Ton und Stein auf alle Beteiligten.
    Immer noch brüllend wie ein Tiger, machte das Ding einen weiteren Schritt nach vorn und holte erneut aus. Nimrod blieb keine Zeit, sich zu ducken oder unter ihm wegzutauchen. Dierohe, zerstörerische Kraft des Wesens aus Lehm und Ton war so gewaltig, dass sein Hammerschlag dem Dschinn zweifellos den Kopf von den Schultern fegen würde.
    Philippa schrie auf, deshalb hörte niemand das Wort, das ihr Onkel von sich gab. Das Einzige, was John mit Bestimmtheit hätte sagen können, war, dass es zu kurz war, um das Fokuswort seines Onkels zu sein. Doch was immer es auch gewesen sein mochte, es funktionierte: Im gleichen Moment, in dem die riesige Faust Nimrods Wange berührte, erstarrte das Wesen, als hätte jemand einen Schalter umgelegt und damit einen alten Horrorfilm angehalten.
    Nimrod trat zurück und zitterte nur ein klein wenig; er war sich wohl bewusst, wie nahe er soeben dem Tod gekommen war. Er atmete aus und griff sich an die Wange. Nur einen Sekundenbruchteil später und die pfannengroße Faust des Tonwesens hätte ihren mörderischen Schlag wahrscheinlich ins Ziel gebracht, das wusste er.
    »Bei meiner Lampe. Das war knapp«, sagte er.
    »Was zum Teufel ist das?«, wollte John wissen, der das Tonwesen genauer betrachtete.
    »Und was in drei Teufels Namen ist gerade passiert?«, fügte Philippa hinzu.
    »Jetzt ist alles vorbei. Es gibt keinen Grund mehr zur Sorge. Uns kann nichts mehr geschehen.« Nimrod lachte nervös. »Das ist ein Golem«, sagte er. »Ein künstliches, aus unbelebter Materie geschaffenes Wesen aus Erde oder Ton. So ähnlich wie der erste Mensch, bei dem es sich natürlich um Adam handelte, nur dass dieser eine Seele besaß. Auf jeden Fall wurde dieser Golem hier von Rabbi Joshua Löw ben Gazzara geschaffen, mit der Absicht, ihn das Einstein-Archiv der Jerusalemer Nationalbibliothekbewachen zu lassen. Was er aber nicht tat. Vor ein paar Wochen wurden der Golem und ein Teil des Archivs von Jirjis ibn Rajmus gestohlen, der, wie Philippa weiß, ein böser Dschinn vom Stamm der Ifrit ist. Damals habe ich mich gefragt, aus welchem Grund jemand – noch dazu ausgerechnet ein Dschinn – das Einstein-Archiv und einen Golem stehlen sollte. Nun, jetzt weiß ich es.«
    Nimrod holte ein Taschentuch heraus, fuhr sich damit über die Augenbrauen und zündete sich dann eine Zigarre an.
    »Jirjis brauchte einen
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, so nennen wir Dschinn eine Ersatzgestalt oder ein vertrautes Wesen, das einem praktischerweise als Fluchtmittel dienen kann, wenn man einen fremden Körper benutzt. So wie Jirjis. Der Himmel weiß, wo sein eigener Körper sein mag. Wahrscheinlich noch irgendwo in Marokko. Jirjis hat den Körper von Mr   Burton gestohlen und zweifellos darauf gewartet, dass ich ins Atlasgebirge komme, um Mr   Burtons Rat einzuholen.«
    »Du meinst, Jirjis hat sich die ganze Zeit in Mr   Burtons Körper versteckt?«, rief Philippa aus. »Aber warum?«
    »Jirjis hat große Anstrengungen unternommen, um auf der Welt eine Atmosphäre des Unglücks zu verbreiten, weil er damit einen oder mehrere der Fakire von Faizabad veranlassen wollte, sich zu offenbaren. Auf diese Weise wollte er die Kontrolle

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