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Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya

Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya

Titel: Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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Fakire näher angesehen habe.«
    My kam in den Salon zurück. »Es ist alles arrangiert. Allerdings müssen wir sofort aufbrechen, wenn ich noch eine Chance haben will, rechtzeitig in Ascot zu sein, um mein Pferd laufen zu sehen.«
    »In diesem Fall sollte ich besser fahren«, sagte Nimrod. »Zu den Tollesbury Marshes, sagten Sie?«

Das Gefangenenschiff

    Früher reisten Dschinn, die es eilig hatten, mit einem eigenen Wirbelsturm. Doch inzwischen beeinträchtigt die globale Erwärmung das Wetter so stark, dass es für verantwortungsbewusste Dschinn nicht länger vertretbar ist, einen Wirbelsturm heraufzubeschwören und das Risiko einzugehen, dass daraus ein heftiger und unkontrollierbarer Tornado oder Taifun wird. Infolgedessen sind gute Dschinn nun gezwungen, wie ganz normale Menschen zu reisen: mit dem Flugzeug, Zug oder Auto. Natürlich gelten diese selbst auferlegten Beschränkungen nicht für böse Dschinn, was einen Teil der immer häufiger auftretenden Hurrikans erklärt, vor allem im Süden der USA und in der Karibik.
    Mit My und Philippa hinten im Wagen lenkte Nimrod seinen Rolls-Royce in hohem Tempo durch London. Im Zentrum der Stadt floss der Verkehr im Schnitt mit etwa fünfzehn, sechzehn Stundenkilometern dahin, was, wie selbst der Dümmste weiß, der Geschwindigkeit eines rennenden Huhns entspricht. Doch Philippas Onkel schien die am wenigsten befahrenen und schnellsten Straßen zu kennen, von sämtlichen Abkürzungen und Schleichwegen ganz zu schweigen. Für eine Autofahrt von Kensington an einen Ort weit jenseits des Londoner East End, für die jeder normale Bewohner der Stadt mindestens eine Stunde einkalkuliert hätte, brauchte Nimrod weniger als zwanzigMinuten. In diesen zwanzig Minuten hatte Philippa das Gefühl, nicht nur das westliche London hinter sich zu lassen, sondern auch das gute Wetter, denn als sie ihr Ziel erreichten, war die Sonne gänzlich hinter einem schmutzig grauen Wolkenvorhang verschwunden.
    Die Tollesbury Marshes waren ein öder, konturloser Landstrich, eine Mischung aus flachem, wassergetränktem Land, vereinzelten Seen und einem leeren Himmel, der sich aus einem Horizont voller Wasser zu erheben schien. Philippa fand die Gegend trostlos und abweisend, wie etwas aus einem schlechten Traum. Und dann sah sie es: Umgeben von dickem Nebel, auf einer rattenverseuchten Schlammbank wie ein gestrandeter Wal auf Grund liegend, erhob sich der graue Rumpf eines alten Kriegsschiffes – ein Zerstörer aus dem Zweiten Weltkrieg. Sämtliche Kanonen und Geschütztürme hatte man vom Deck entfernt, zurückgeblieben war nur der rostige Rumpf, sonst nichts. Der Name des Schiffes,
HMS Archer
, war am Bug gerade noch lesbar, daneben hing ein Schild mit der Aufschrift
HM Prison Archer
. Schon der Anblick des alten Schiffes stimmte Philippa traurig.
    »Die Zellen der Gefangenen befinden sich unter Deck«, erklärte My, als sie über eine lange Gangway auf einen Empfangsbereich zusteuerten, in dem bereits Mr   Weston, der Direktor des Gefängnisses, wartete, um sie zu begrüßen.
    »Was für ein schrecklicher Ort, um Menschen festzuhalten«, bemerkte Philippa.
    »Wie soll ein Gefängnis denn sonst aussehen?«, fragte My zurück. »In diese Schiffe steckt man Menschen, weil sie morden und rauben und alle möglichen anderen Schandtaten vollbringen und von denen keiner jemals einen Gedanken an andere Menschenund deren Wohlergehen verschwendet hat, so wie du es tust, mein Kind.«
    »Trotzdem ist es ein schrecklicher Ort«, sagte Philippa trotzig.
    »Ich kann dir versichern, mein Fräulein«, sagte Mr   Weston, »dass sich seit Charles Dickens und Abel Magwitch viel verändert hat. Unsere Gefangenen werden gut ernährt und dürfen ein oder zwei Annehmlichkeiten von zu Hause mitbringen. Auch wenn ich glaube, dass niemand unter Annehmlichkeiten je etwas Ähnliches verstanden hat wie diese drei Burschen.«
    »Was meinen Sie damit?«, fragte Philippa.
    »Das wirst du schon sehen.« Mr   Weston kicherte, während er eine Kerze anzündete – die Regierung führte wieder einmal eine ihrer regelmäßigen Energiesparmaßnahmen durch – und sie über mehrere Eisentreppen in den düsteren, ächzenden Leib des alten Schiffes hinablotste, wo anscheinend mehrere Hundert Männer gefangen gehalten wurden oder ihren Prozess erwarteten.
    Der Aufenthalt im Innern des Schiffes löste bei Philippa sofort Beklemmungsgefühle aus, weil sie, wie viele Dschinn, unter Klaustrophobie litt. Auch der Geruch gefiel ihr nicht.

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