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Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya

Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya

Titel: Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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habe er lange nicht mehr Luft geholt. Sein Haar und sein Bart schienen sogar noch länger und zotteliger zu sein als bei seinen beiden Gefährten.
    »Was sich folgendermaßen demonstrieren lässt.« Mit diesen Worten schob der Fakir seinen Magen bis in den Brustkorb hinauf und spie eine große Kakerlake aus, die äußerst lebendig wirkte und die er fast andächtig vor Nimrods Füße setzte. Die Kakerlake, eine Fauchschabe, fauchte und tippelte selbstbewusst hin und her.
    Philippa war vor Entsetzen wie gelähmt. Sie hatte schon einige schreckliche Dinge gesehen im Leben, doch in diesem Moment schien ihr das der Gipfel zu sein.
    »Also wirklich!«, rief My voller Abscheu und verließ die Zelle. »Was für ein abscheulicher Mensch!«
    Doch es sollte noch schlimmer kommen.
    Der Fakir auf dem Nagelbrett machte den Mund weit auf, schob seinen schmutzigen Daumen samt Zeigefinger tief hinein und zog eine lebendige Maus am Schwanz heraus. Der lächelnde Fakir schwenkte die zappelnde Maus einen Moment knapp über dem Boden und ließ sie dann laufen.
    Der Fakir auf dem Bambuspfahl wackelte grinsend mit dem Kopf. Das Grinsen verwandelte sich in einen weit aufgerissenen Mund – weiter, als es überhaupt möglich schien, selbst auf einem Zahnarztstuhl   –, und mit einem widerlichen Fingerspiel zog er sich Stück für Stück eine Schlange aus irgendeinem Winkel in seiner Kehle. Als er gut einen Meter des Reptils in den Händen hielt, das sich als harmlose Ringelnatter entpuppte, ließ der Fakir sie zu Boden fallen, wo sie prompt die Maus verschlang (denn Ringelnattern sind nur für Menschen und Dschinn harmlos).
    »Ich habe zwar schon von Wölfen gehört, die Wackersteine im Bauch haben«, sagte Philippa. »Aber das ist wirklich das Letzte.«
    »Bei meiner Lampe, Gentlemen«, sagte Nimrod. »Das war äußerst faszinierend. Allmählich fange ich an zu verstehen, warum die Briten in Indien Gaunern, Schurken und Herumtreibern wie Ihnen Einhalt geboten haben. Oder wie soll ich Männer beschreiben, die sich so unerträglich aufführen wie Sie? Ich sage Ihnen ganz offen, dass man Sie bald vor ein englisches Gericht stellen wird und dass Sie besser daran täten, dort in Kleidung zu erscheinen. Das englische Gerichtswesen ist einem Mann in Hosen gegenüber wesentlich nachsichtiger als einem Halbnackten, der glaubt, sein Kopf sei in einem Eimer voll Sand besser aufgehoben.Dennoch werde ich mich persönlich dafür einsetzen, dass Sie einen anständigen Rechtsbeistand bekommen und fair behandelt werden. Guten Tag.«
    Sie gingen in den Gang hinaus und Mr   Weston schloss hinter ihnen ab. Dann stiegen sie wieder hinauf ins Freie, wo Philippa erleichtert die frische Luft einsog. Wie auf Kommando tauchte hinter dem Wolkenvorhang die Sonne auf und wärmte ihr das Gesicht wie ein loderndes Feuer. Dschinn lieben die Hitze und Philippa war keine Ausnahme.
    »Es tut gut, nicht mehr dadrinnen zu sein«, sagte sie mit einem plötzlichen Gefühl der Euphorie.
    »Ja, nicht wahr?«, pflichtete Nimrod ihr bei.
    »Nun?«, fragte My. »Welchen Eindruck haben Sie gewonnen?«
    »Es besteht kein Zweifel«, sagte Nimrod. »Das sind tatsächlich Bettelfakire. Oder das, was in diesen traurigen Zeiten noch von ihnen übrig ist. Ist euch der merkwürdige Geruch aufgefallen, als Mr   Weston die Zellentür geöffnet hat? Kajeputöl, Chaulmoograöl, Oregano, Terebinthe und Eibischsalbe. Ganz zu schweigen von Kampfer. Alles zusammen ist besser bekannt als Rezept für Indischen Balsam, der viele Jahre lang in England hergestellt wurde. Er hilft ihnen, in unbekleidetem Zustand warm zu bleiben.«
    »Aber haben Sie irgendeine Ahnung, was sie im Schilde führen?«, fragte My.
    »Nur, dass Sie recht hatten«, erwiderte Nimrod. »Sie sind tatsächlich religiöse Schurken und gehören einer Vereinigung an, die absonderlichen geheimen Gesetzen folgt und darauf abzielt, das Ausmaß des Glücks, das auf dieser Welt vorhanden ist, zu verändern. Die Frage ist nur, warum? Was wollen sie damit erreichen?Wäre doch Mr   Rakshasas noch am Leben! Er wüsste womöglich schon eine Antwort. Sein Wissen über die Sannyasi-Fakire war unübertroffen.«
    »Ich vermisse den Mann«, gestand My.
    Nimrod nickte stumm. »Ich versichere Ihnen, meine Liebe«, sagte er dann, »dass ich auf diese Fragen eine Antwort finden werde. Aber zuerst muss ich in meiner Lampe eine Weile nachdenken, die ich zufällig im Handschuhfach meines Wagens habe.«
    »In einem Handschuhfach?« My klang ungläubig.

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