Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya
würden in Ihrem Koffer nach etwas Warmem suchen?«, fragte Nimrod zurück.
Groanin zuckte die Schultern und klappte dann seinen Koffer auf. Doch er enthielt nichts, was aussah, als könnte sich der Butler damit wohler fühlen. »Ich habe mich auf warmes Wetter eingerichtet«, sagte Groanin. »Nicht auf mörderische Kälte.«
»Wir sind hier, um nach Anzeichen von Burton zu suchen«, sagte Nimrod. »Nicht nach einer Weste oder einem Pullover.«
»Sie haben leicht reden«, sagte Groanin und rieb sich die Hände.
Dann hörten sie John von einer Stelle rufen, die einige Meter entfernt im Gipfelnebel versteckt lag. »Ich glaube, ich hab etwas gefunden!«
»Wo bist du?«, rief Nimrod.
»Hier!«, antwortete John. »Ein paar Meter den Südhang hinunter liegt ein Haufen Steine.«
Als sie John entdeckten, stand er auf halber Höhe einer kleinen Steinpyramide und hielt etwas fest, das aussah wie ein dünner Baum, der oben herauswuchs. Nur dass es gar kein Baum war, sondern ein dickes, starres Seil. John sah an dem Seil in den undurchdringlichen Nebel hinauf und zog dann versuchshalber daran.
»Es scheint ziemlich weit hinaufzureichen«, sagte er.
»Gut gemacht, John«, sagte Nimrod. »Ich würde sagen, dass es ganz so aussieht, als hättest du Mr Burton gefunden.«
»Sie meinen, er ist da oben?« Groanin klang empört. »Am anderen Ende des Seils?«
»Natürlich«, sagte Nimrod. »Wo sollte er sonst sein?«
Groanin lächelte schief. »Ja, wo sonst?« Er schüttelte den Kopf. »Sie sagen das, als wäre es völlig normal. Erwarten Sie bloß nicht, dass ich da hochklettere, Sir. Ich bin ein Butler und kein Schimpanse.« Er warf einen Seitenblick auf Zagreus.
»Was sind Sie doch manchmal für ein einfallsloser Geselle, Groanin«, sagte Nimrod. »Wer, um alles auf der Welt, hat etwas von hochklettern gesagt? Warum sollten wir klettern, wenn wir fliegen können?«
Die drei Rätsel des Fakirs vom Jebel Toubkal
Gleichmäßig wie ein Aufzug in einem sehr hohen Gebäude schwebte der fliegende Teppich neben dem Seil hinauf. Über ihren Köpfen befand sich eine dicke Wolkenschicht und kein Anzeichen dafür, dass am Ende des Seils etwas anderes zu finden sein würde als noch mehr Wolken. Während sie ihren unerbittlichen Anstieg fortsetzten, fielen sowohl die Lufttemperatur als auch der Luftdruck rasch ab, und eine dünne Raureifschicht färbte den goldenen Rand des blauen Teppichs weiß. Nach einer Weile hatte Nimrod ein Einsehen mit Groanin, dem die Zähne klapperten wie Kastagnetten, und er schuf einen warmen Silberfuchsmantel für seinen Butler und einen für seinen Neffen. Für sich selbst wählte er den Pelz des Rotfuchses, weil er eine Vorliebe für die Farbe Rot hatte.
Nur Zagreus schien die Kälte nicht zu spüren, was jedoch damit zusammenhing, dass er überhaupt nicht viel spürte.
»Vielen Dank, Sir«, sagte Groanin und hüllte sich in die Wärme seines Mantels.
»Ist das echter Pelz?«, fragte Philippa.
»Er ist echt und wiederum auch nicht«, sagte Nimrod. »Das hängt davon ab, was du unter ›echtem Pelz‹ verstehst.«
»Aber man soll keine echten Pelze tragen soll?«, sagte Philippa. »Kunstpelz ist die ethisch korrekte Alternative.«
»Oh, da bin ich ganz deiner Meinung«, sagte Nimrod. »Aber da ich diese Mäntel mit Dschinnkraft geschaffen habe, kannst du sicher sein, dass dabei keine Tiere zu Tode gekommen sind.«
»Hm.« Philippa nickte. »Darüber habe ich noch nie nachgedacht.«
John sah besorgt an dem Seil hinauf. »Ich glaube, wir nähern uns dem Ende«, sagte er. »Da hängen lauter kleine Schnüre, in die bunte Wollstücke, Papiere und Stoffbeutel eingeknotet sind.«
»Das sind Gebete und Opferspeisen«, erklärte Nimrod. »Von Anwohnern unten im Tal, den Berbern. Wahrscheinlich zieht sie der Fakir am Seil herauf. Das zeigt, welche Wertschätzung ihm die Menschen hier entgegenbringen.«
»Ich nehme an, es funktioniert ein bisschen wie der Indische Seiltrick«, sagte My.
»Das will ich nicht hoffen«, erwiderte Nimrod. »Beim Indischen Seiltrick geht es darum, oben zu verschwinden.«
»Ach so.« My schaute wie ein altes Mütterchen. »Darüber habe ich noch nie nachgedacht.«
Als sie das Ende des Seils erreichten, legte sich der Wind, die Wolken verzogen sich plötzlich und gaben einen leuchtend blauen Himmel frei, der in warmes Sonnenlicht getaucht war. Auch die Luft schien süßer zu sein, als hätte jemand eine Schachtel stark parfümiertes Lokum geöffnet. Eine kleine
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