Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon
der Vorstellung, Iravotum zu verlassen. Als John das sah, setzte er hinzu: »Aber wir können was dagegen tun. Wir sind Dschinn, meine Schwester und ich. Wir können dafür sorgen, dass Sie immer so viel Gras haben, wie Sie wollen. Und außerdem, aber das ist nur ein Hinweis, Majestät: Sollte Ihnen das Leben als Vegetarier doch mal zum Hals raushängen, können Sie gar keine bessere Stadt zum Wohnen wählen als New York. Mann, Sie haben nicht gelebt, bevor Sie heiße Pastrami probiert haben. Oder ein gut abgehangenes Porterhouse-Steak. Nehmen Sie mich beim Wort, Sir, Sie werden nicht an sich halten können.«
An diesem Punkt ließ der König einen fahren.
»Buchstäblich nicht an sich halten können«, nickte Philippa.
Als sie den Irrgarten hinter sich hatten, riss der König ein paar Hand voll Gras ab. Er kaute nachdenklich und sah sich dabei misstrauisch nach allen Seiten um. Aus einem der Bäume kam Finlay geflogen und setzte sich auf Johns Schulter, aber gerade als John seiner Schwester den Wanderfalken vorstellen wollte, befahl ihnen der König mit einer Geste, still zu sein.
John sah sich um. Die Bäume des Waldes standen reglos, und nichts deutete darauf hin, dass hier außer ihnen noch ein Lebewesen existieren könnte, geschweige denn, dass sie gar verfolgt würden. »Was ist?«, fragte John flüsternd den König. »Ist jemand hinter uns her?«
»Optabelua«, sagte der König. »Das Wunschmonster.«
Das Wunschmonster
Tief im Wald bewegte sich etwas. Man hörte ein Knistern wie von statischer Elektrizität, gefolgt von einem lauten Stöhnen, und dann erbebte die Erde: Irgendwo in den Bäumen rührte sich ein großes Wesen. John erzählte Philippa von dem Wunschmonster. »Wünsch dir bloß nicht, es soll verschwinden«, sagte er. »Ein Wunsch hilft ihm nämlich erst recht auf unsere Spur. Versuche lieber, dir nichts zu wünschen.«
»Leichter gesagt als getan«, flüsterte Philippa. »Fünfzig Prozent des Denkens haben mit Wünschen zu tun.«
»Vielleicht solltet ihr euch besser trennen«, schlug der König vor. »Damit eure Wünsche von verschiedenen Orten kommen. Dann fällt dem Optabelua die Verfolgung schwerer.«
John schüttelte den Kopf. »Kommt nicht in Frage«, sagte er. »Wir haben uns gerade erst wiedergefunden. Das Risiko gehen wir ein.«
Wieder erzitterten die Bäume.
»Dann denkt lieber schnell an
nichts
«, sagte der König. »Es kommt näher.«
»Ich hab’s«, sagte Philippa. »Wir müssen an Mathematik denken. Eine mathematische Aussage drückt keinen Gedanken und keinen Wunsch aus. Sie ist transzendental. Solangewir Kopfrechnen üben, kann uns das Wunschmonster nicht ausfindig machen.«
Obwohl es John sehr schwer fiel, sich zum Rechnen zu zwingen ohne sich gleichzeitig zu wünschen, einer anderen Beschäftigung nachzugehen, fiel ihm in dieser heiklen Situation kein besserer Vorschlag ein. So, wie er seine Zwillingsschwester kannte, war es vermutlich ohnehin die beste Idee. Während sich also Philippa mit der Lösung von Quadratgleichungen plagte, hangelte sich John durch Multiplikationen mit 13, 14, 15, 16, 17 und 18. Für eine Weile war alles still im Wald, was darauf schließen ließ, dass das Wunschmonster ihre Spur vorerst verloren hatte.
»Neunzehn mal siebzehn ist … ist … dreihundertdreiundzwanzig«, murmelte John nach einem geistigen Kraftakt vor sich hin. Er spürte, dass er so viel Disziplin und Anstrengung nicht mehr lange würde durchhalten können. Von dem Wunschmonster war im Moment zwar nichts mehr zu hören, aber aus König Nebukadnezars Verhalten ließ sich deutlich erkennen, dass er es noch irgendwo in der Nähe vermutete. John musste sich etwas Besseres überlegen, sonst würden sie hier noch Ewigkeiten festsitzen. Plötzlich hatte er eine Idee, er nahm Finlay von seinem Arm und sah dem kleinen Falken in die Augen.
»Hör zu, Horus, dessen rechtes Auge die Sonne ist und dessen linkes der Mond«, sagte er. »Ich brauche deine Hilfe.«
Erwartungsvoll flatterte Finlay mit den Flügeln. Er war voller Eifer, dem jungen Dschinn, der ihm wieder zu seiner Freiheit verhelfen würde, einen nützlichen Dienst zu erweisen.
»Aber es ist gefährlich«, ergänzte John.
Finlay hob den Schnabel in die Luft und krächzte leise, als wolle er John versichern, dass er der Aufgabe voll gewachsen war, egal wie gefährlich sie sein mochte.
»Du musst das Wunschmonster ablenken. Du musst über ihm kreisen, gerade so eben außer seiner Reichweite, und dir fest
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