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Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon

Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon

Titel: Die Kinder des Dschinn. Gefangen im Palast von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. B. Kerr
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er überzeugt, dass absolut nichts dabei war, als im letzten Moment einer der Scheinwerfer flackerte und die glasierten Hinterläufe des Löwen aufblitzen ließ. Als Nächstes fand sich John vor der großen Prachtstraße auf dem Boden liegend, halb ohnmächtig, wie es wohl jedem ergehen würde, der mit zwei, drei Kilometern Geschwindigkeit schnurstracks gegen eine Wand läuft. Als John die Augen öffnete, sah er gerade noch Nimrods Bein durch die Plenumwand verschwinden. Er setzte sich auf und rieb seinen schmerzenden Kopf.
    Ein dicker Wachmann kam heran und half ihm auf die Beine, aber da er deutsch sprach, hatte John keine Ahnung, was er sagte. Er lächelte also nur, versicherte, ihm sei nichts passiert, und entschuldigte sich, dass er nicht besser aufgepasst habe. Die nächsten zehn Minuten ging er langsam auf und ab, sammelte seine fünf Sinne wieder und heuchelte großes Interesse für die Prachtstraße, während er auf Nimrods Rückkehr wartete. Er hätte einen zweiten Versuch unternehmen können, hätte ihn der Wachmann jetzt nicht besonders aufmerksam beobachtet – offenbar befürchtete er, John könnte ein zweites Mal gegen die wertvollen Ausstellungsstücke laufen und sie am Ende noch beschädigen. Je mehr Zeit verging, desto intensiver belauerte er John, und so kam es, dass der Wachmann nicht bemerkte, wie unmittelbar hinter seinem Sessel Nimrod lautlos durch die Wand schritt. Niemand außer John hatte es gesehen.
    »Künstlerpech!«, sagte Nimrod und untersuchte die Beule auf Johns Stirn. »Man muss eben doch etwas mehr Übung haben, wenn ein so enormer Schritt gelingen soll. Ich denkeauch, du bist noch ein bisschen mitgenommen von der Fessel, die Izaak dir auferlegt hat.«
    »Ich weiß wirklich nicht, ob mein Kopf einen zweiten Versuch aushalten würde«, gab John zu. »Was hat sie denn gesagt?«
    »Wer?«
    »Ayesha natürlich.«
    »Sie war nicht da«, sagte Nimrod auf dem Weg zum Ausgang.
    »Und wohin gehen wir jetzt?«
    »Zu Ayeshas Wohnung.«
    »Du meinst, sie wohnt nicht im Museum? Hinter diesem Plenumdings?«
    »Lieber Himmel, nein«, sagte Nimrod. »Hier sind nur ihre offiziellen Räume, hierher kommen Dschinn, um ihren Rat und ihr Urteil zu suchen. Außerhalb der Amtsstunden hält sie sich in ihrer Villa am Stadtrand von Berlin auf. In der Villa Fledermaus.«
    Auf der Straße vor dem Museum winkte Nimrod einem Taxi. »Ist ›Fledermaus‹ nicht das deutsche Wort für ›bat‹?«, fragte John im Wagen.
    »Richtig. Als ich ein Junge war, haben wir das Haus immer
Bat Mansion
genannt.«
    »Bist du also schon mal in dem Haus gewesen?«, fragte John auf der Fahrt.
    »Bei meiner Lampe, ja!« Nimrod seufzte, ein bisschen traurig, wie es John schien. »Aber seit vielen Jahren leider nicht mehr.«
    Die Villa Fledermaus trug ihren Namen zu Recht. Das Hauswirkte unheimlich und lag, umgeben von mächtigen Tannen, hinter einem besonders hohen Eisentor. Nimrod blickte aufmerksam durch die Eisenstäbe des Tores zur Villa und zum angrenzenden Park, als sei er sich über irgendetwas nicht ganz sicher. John fragte sich, ob diese Wachsamkeit etwas mit den drei deutschen Wörtern am Tor zu tun haben könnte. Er buchstabierte laut und schüttelte dann den Kopf. »Ich wünschte, ich könnte Deutsch verstehen!«, rief er, ohne groß über seine Worte nachzudenken und über die Tatsache, dass er neben einem mächtigen Dschinn stand. Jedenfalls verstand er plötzlich ganz genau, was die Wörter auf dem Schild bedeuteten: Nimrod, der seinen Neffen nach all den Erlebnissen im Zug und im Museum ein wenig bedauerte, hatte Johns Wunsch kurzerhand erfüllt. So konnte der junge Dschinn nun Deutsch genauso verstehen wie Englisch – für John ein Gefühl, als sei sein Gehirn plötzlich doppelt so groß geworden.
    »Es heißt: Vorsicht, bissiger Dämon«, sagte er.
    »Richtig«, murmelte Nimrod, während er das Tor langsam öffnete. »Halte dich am besten in meiner Nähe, Junge.«
    »Äh, was für eine Art bissiger Dämon?«, fragte John. »Doch hoffentlich nicht Asmodeus?«
    »Bei meiner Lampe, das hoffe ich nicht!«, raunte Nimrod. »Wie kommst du nur auf so eine Idee?«
    John wollte es ihm erzählen, aber Nimrod sprach schon weiter: »Nein, dieser Dämon hier ist ein so genannter Schleicher. Ein Türdämon. Früher, im antiken Babylon, ganz alltäglich.« Der Kies auf dem Parkweg verursachte ein knirschendes Geräusch unter ihren Schuhen, das sich anhörte, als würde eine ganze Packung Kekse auf einmal zerbissen und

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