Die Kinder des Kapitän Grant
Lösung, und veranlaßte die Schlußfolgerung, daß, wenn sich nicht beim Cap Bernouilli Spuren der Britannia fänden, Lord Glenarvan nur nach Europa zurückzukehren hätte. Seine Forschungen waren fruchtlos gewesen, aber er hatte muthig und gewissenhaft seine Pflicht erfüllt.
Dieser Umstand mußte besonders die Passagiere der Yacht bekümmert, und Mary und Robert Grant trostlos machen. Als sich diese in Begleitung von Lord und Lady Glenarvan, John Mangles, Mac Nabbs und Paganel an’s Ufer begaben, sagten sie sich, daß die Frage in Betreff der Rettung ihres Vaters sich nun unwiderruflich entscheiden werde. Unwiderruflich, kann man sagen, denn Paganel hatte in einer vorausgehenden Besprechung einsichtsvoll gezeigt, daß die Schiffbrüchigen längst in ihre Heimat zurückgekommen wären, wenn ihr Schiff an den Klippen der Ostküste gescheitert wäre.
»Nur die Hoffnung aufrecht erhalten! sagte Lady Helena wiederholt zu dem Mädchen, das neben ihr in dem Boote saß, welches sie an’s Land brachte. Die Hand Gottes waltet über uns!
– Ja, Miß Mary, sagte der Kapitän John, wenn die Menschen ihre letzten Kräfte und Mittel erschöpft haben, erbarmt sich der Himmel, indem er unverhofft neue Bahnen des Heils eröffnet.
– Das wolle Gott, Herr John«, erwiderte Mary Grant.
Das Ufer war nur noch zwei Kabellängen entfernt; das Cap, welches zwei Meilen weit in die See vorsprang, verlief sich in sanftem Abfall. Das Boot legte in einer kleinen natürlichen Hafenbucht an, zwischen den Korallenbänken, welche in Entstehung begriffen mit der Zeit einen Gürtel von Rissen um Süd-Australien herum bilden müssen. Es waren bereits manche solcher Korallenriffe vorhanden, welche den Rumpf eines Schiffes durchbohren konnten, so daß die Britannia mit Mannschaft und Gut konnte zu Grunde gegangen sein.
Die Passagiere des Duncan stiegen ohne Schwierigkeit an einem durchaus menschenleeren Gestade aus. Steile Uferwände bildeten aufgeschichtet eine sechzig bis achtzig Fuß hohe Wand; ohne Leitern, Haken und Klammern wäre es schwierig gewesen hinauf zu klimmen. Zum Glück entdeckte John Mangles eine halbe Meile südlich von da eine Bresche, welche durch theilweisen Einsturz der Felswand entstanden war. Ohne Zweifel hatten die wüthenden Aequinoctialstürme den zerreiblichen Tuff, woraus die Wand bestand, zertrümmert, so daß die oberen Theile des Gesteins vollends zusammenfallen mußten.
Glenarvan und seine Gefährten drangen in die Oeffnung ein, und gelangten über einen ziemlich steilen Abhang zum Gipfel. Robert kletterte wie eine junge Katze eine senkrechte Böschung hinan, und kam so zuerst oben auf den Grat, zu großem Verdruß Paganel’s, der sich gedemüthigt fühlte, daß seine langen vierzigjährigen Beine von den kleinen zwölfjährigen übertroffen wurden. Doch blieb er weit hinter ihm zurück, sammt dem friedliebenden Major, dem nichts darauf ankam.
Die kleine Truppe, welche sich bald wieder zusammen fand, untersuchte die vor ihren Blicken ausgebreitete Ebene. Es war ein ungeheurer Landstrich ohne Anbau mit Buschwerk und Gesträuch, eine unfruchtbare Gegend, welche Glenarvan mit den »Glens« der schottischen Niederlande verglich, Paganel mit den dürren Haidesteppen der Bretagne. Schien jedoch diese Gegend längs der Küste unbewohnt, so gab sich doch die Anwesenheit menschlicher, nicht wilder Bewohner kund, da man nicht weit entfernt Werke der Menschenhand als gutes Vorzeichen gewahrte.
»Eine Mühle!« rief Robert.
Drei Meilen weit entfernt sah man wirklich eine Windmühle ihre Flügel drehen.
»Ja wohl, eine Mühle, erwiderte Paganel, der eben sein Fernrohr auf den fraglichen Gegenstand gerichtet hatte.
– Es sieht ja wie ein Kirchthurm aus, sagte Lady Helena.
– Ja, Madame, die beiden Gegenstände gleichen einander; der eine mahlt Nahrung für den Körper, der andere für die Seele.
– So gehen wir hin zur Mühle«, versetzte Glenarvan.
Man schlug den Weg dahin ein. Nach einer halben Stunde gewährte der von Menschenhand bearbeitete Boden einen anderen Anblick. Die unfruchtbare Gegend ward plötzlich zur angebauten Landschaft. Ein kürzlich urbar gemachter Boden war von lebendem Gehäge umgeben; einige Ochsen und ein halbes Dutzend Pferde weideten auf dem Wiesengrunde, der von Akazien aus den Baumschulen der Känguru-Insel umgeben war. Nach und nach zeigten sich Getreidefelder, einige Hufen Landes mit fahlen Aehren bedeckt, Heuschober, die wie große Bienenkörbe emporragten, Baumgärten mit
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