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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Major machte ein Zeichen der Zustimmung, und Lord Glenarvan’s Gäste begaben sich in’s Zwischendeck.
    Mac Nabbs blieb also allein und sprach mit sich selbst, hüllte sich, nach seiner Gewohnheit, worin er sich nie widersprach, in noch dichtere Wolken; unbeweglich blickte er rückwärts in das Kielwasser der Yacht.
    Nachdem er es einige Minuten stumm angeschaut, wendete er sich um, und sah sich einer unbekannten Person gegenüber. Hätte ihn je etwas in Staunen versetzen können, so wäre der Major über diese unerwartete Erscheinung betroffen geworden, denn es war ein durchaus fremder Passagier.
    Dieser große, dürre und magere Mann mochte etwa vierzig Jahre alt sein; er glich einem langen Nagel mit großem Kopf; sein Kopf war in der That breit und stark, mit hoher Stirn, langer Nase, großem Mund. Seine Augen waren durch eine große runde Brille verdeckt, und sein Blick schien die den Tagblinden eigenthümliche Unsicherheit zu haben. Seine Gesichtszüge ließen einen verständig gebildeten, heiteren Mann erkennen; er hatte nicht die unfreundliche Miene jener würdigen Personen, die aus Grundsatz nie lachen, und deren Leerheit sich mit einer ernsten Maske deckt. Gar nichts von dem. Das Gehenlassen, die liebenswürdige Ungezwungenheit dieses Unbekannten gaben klar zu erkennen, daß er Menschen und Dinge von ihrer guten Seite zu nehmen verstand. Aber ohne daß er sprach, merkte man, daß er gerne sprach, und überaus zerstreut war, wie Leute, die nicht sehen, was sie anschauen, und nicht auf das merken, was sie hören.
     

    Der große, dürre, hagere Mann von etwa vierzig Jahren. (S. 47.)
     
    Seine Kopfbedeckung bestand in einer Reisekappe, seine Fußbekleidung in starken, gelben Halbstiefeln und ledernen Gamaschen; er trug kastanienbraune, sammtne Hosen, und von gleichem Stoff eine Jacke, deren zahlreiche Taschen mit Gedenkbüchern, Auszügen, Verzeichnissen, Brieftaschen und tausend so hinderlichen wie unnützen Dingen vollgestopft waren, zu geschweigen ein Fernrohr, das er an einem Bandgehänge über den Schultern trug.
     

    Die Beweglichkeit dieses Unbekannten stach merkwürdig gegen die ruhige Behaglichkeit des Majors ab; er machte sich um Mac Nabbs herum zu schaffen, sah ihn an, fragte ihn mit den Augen, ohne daß es diesen kümmerte, zu wissen, woher er kam, wohin er ging, weshalb er sich an Bord des Duncan befand.
    Als dieser räthselhafte Mann seine Bemühungen am Phlegma des Majors scheitern sah, nahm er sein Fernrohr, das, wenn man es völlig auseinanderzog, vier Fuß lang war, und richtete es, unbeweglich, mit gespreizten Beinen, gleich einem Wegweiser an der Landstraße, auf die Linie des Horizonts, wo Himmel und Wasser aneinander grenzen; nachdem er fünf Minuten Untersuchungen angestellt, senkte er seinen Tubus mit dem einen Ende auf den Boden, und stützte sich darauf, als sei es ein Bambusstock; aber alsbald schoben sich die Abtheilungen über einander zusammen, und der neue Passagier, dem plötzlich der Stützpunkt gebrach, wäre beinahe der Länge nach neben dem Hauptmast zu Boden gefallen.
    An des Majors Stelle hätte ein Anderer wenigstens gelächelt.
    Der Major verzog keine Miene. Der Unbekannte faßte es anders an.
    »Stewart«, rief er mit einem Ton, woran der Ausländer zu erkennen war. Er wartete. Niemand erschien.
    »Stewart«, rief er abermals, noch lauter.
    In dem Augenblicke ging Herr Olbinett vorüber, indem er sich in die Küche begab, die unter dem Vordercastell lag. Er erstaunte höchlich, daß der große Mensch, den er gar nicht kannte, ihn so anrief.
    »Wo kommt diese Person her? sprach er bei sich. Unmöglich ist es ein Freund des Lord Glenarvan.«
    Doch begab er sich auf’s Hinterdeck und trat zu dem Fremden.
    »Sie sind der Stewart des Schiffes? fragte dieser.
    – Ja, mein Herr, erwiderte Olbinett, aber ich habe nicht die Ehre …
    – Ich bin der Passagier aus der Cabine Nummer 6.
    – Nummer 6? wiederholte der Stewart.
    – Ja wohl. Und wie heißen Sie? …
    – Olbinett.
    – Nun denn, mein Freund Olbinett, erwiderte der Fremde aus der Cabine Nr. 6, ich muß an’s Frühstück denken, und zwar lebhaft. Seit sechsunddreißig Stunden hab’ ich nicht gegessen, ja nicht einmal geschlafen, was einem Menschen nachzusehen ist, der in einem Zug von Paris nach Glasgow gereist ist. Um wieviel Uhr kann man frühstücken, wenn’s beliebt?
    – Um neun«, erwiderte Olbinett mechanisch.
    Der Fremde wollte auf seine Uhr sehen, aber das kostete geraume Zeit, denn sie fand sich erst

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