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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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einander vorgestellt sind, fügte er hinzu, gestatten Sie mir, Herr Paganel, eine Frage an Sie zu richten.
    – Zwanzig Fragen, Mylord, erwiderte Jakob Paganel; es wird mir stets ein Vergnügen sein, mich mit Ihnen zu unterhalten.
    – Vorgestern Abend sind Sie an Bord dieses Schiffes gekommen?
    – Ja, Mylord, vorgestern Abend um acht Uhr. Ich bin in einem Cab von der Caledonischen Eisenbahn hergeeilt, und flugs aus dem Cab in die Scotia, wo ich mir zu Paris die Cabine Nr. 6 bestellt hatte. Es war dunkle Nacht, und ich sah Niemand an Bord. Da ich nun von der dreißigstündigen Reise ermüdet war, und gehört hatte, um die Seekrankheit zu vermeiden, sei es gut, bei der Ankunft auf dem Schiffe sogleich zu Bette zu gehen und die ersten Tage der Reise nicht aufzustehen; so begab ich mich augenblicklich zu Bette, und habe sechsunddreißig Stunden gewissenhaft geschlafen, das bitte ich zu glauben.«
    Nun wußten Jakob Paganel’s Zuhörer, wie er an Bord gekommen war.
    Der französische Reisende hatte sich in Hinsicht des Schiffes geirrt, und war, während die Mannschaft des Duncan der Ceremonie zu Sanct-Mungo beiwohnte, an Bord gekommen. Jetzt war Alles klar. Aber was hatte nun der gelehrte Geograph zu sagen, als er den Namen und die Bestimmung des Schiffes erfuhr, dessen Passagier er war?
    »Also, Herr Paganel, sagte Glenarvan, Sie haben Calcutta zum Ausgangspunkt Ihrer Reisen bestimmt?
    – Ja, Mylord. Indien zu sehen, ist mein Lebtag mein Lieblingsgedanke gewesen; der schönste Traum meines Lebens, der sich endlich in der Heimat der Elephanten verwirklichen soll.
    – Dann, Herr Paganel, wäre es Ihnen nicht gleichgiltig, in ein anderes Land zu kommen?
    – Nein, Mylord, es wäre mir sogar unangenehm, denn ich habe Empfehlungen an den General-Gouverneur von Indien, Lord Sommerset, und habe einen Auftrag von der geographischen Gesellschaft zu erfüllen.
    – Ah! Einen Auftrag haben Sie?
    – Ja, eine nützliche und merkwürdige Reise zu versuchen, nach der Vorschrift meines gelehrten Freundes und Collegen, des Herrn Vivian de Saint-Martin. Es handelt sich in der That, dem Beispiel der Brüder Schlagintweit zu folgen, des Obersten Waugh, Web’s, Hodgson’s, der Missionäre Hug und Gabet, Moorcroft’s, Jules Remy’s und so mancher anderer berühmter Reisender. Ich will da, wo der Missionär Krick im Jahre 1846 unglücklicherweise scheiterte, zum Ziel kommen, kurz, den Lauf des Yaorn-Dzangbo-Tchou, welcher fünfzehnhundert Kilometer weit am Fuße des nördlichen Himalaya durch Tibet fließt, erforschen, daß man endlich weiß, ob nicht dieser Fluß im Nordosten Assams sich mit dem Brahmaputra vereinigt. Die goldene Medaille, Mylord, ist dem Reisenden zugesagt, dem es gelingt, so eine der wichtigsten geographischen Fragen Indiens zu lösen.«
    Paganel strahlte. Er sprach mit prachtvoller Belebtheit. Er ließ sich auf raschen Flügeln der Phantasie davon tragen. Man hätte ihn ebenso wenig einhalten können, als den Rhein bei Schaffhausen.
     

    »Herr J. Paganel, sagte nach einer kleinen Pause Lord Glenarvan, das ist gewiß eine schöne Reise, und die Wissenschaft wird Ihnen dafür sehr dankbar sein; aber ich will Sie nicht länger in Ihrem Irrthum lassen, denn Sie müssen, für den Augenblick wenigstens, auf das Vergnügen, Indien zu sehen, verzichten.
    – Verzichten? Und warum?
    – Weil Sie der Indischen Halbinsel den Rücken zukehren.
    – Wie! Der Kapitän Burton …
    – Ich bin nicht der Kapitän Burton, erwiderte John Mangles.
    – Aber die Scotia?
    – Dies Fahrzeug ist nicht die Scotia!«
     

    Paganel’s Erstaunen ging über alle Beschreibung. Er sah nach einander Lord Glenarvan an, der stets ernst blieb, Lady Helena und Mary Grant, deren Züge betrübte Theilnahme erkennen ließen, John Mangles, der lächelte, und den Major, der keinen Zug änderte; dann hob er die Schultern; rückte seine Brille von der Stirn vor die Augen und rief:
    »Welch ein Scherz!«
    Aber in dem Augenblick fiel sein Blick auf das Rad des Steuers, worauf die Inschrift: Duncan – Glasgow – stand.
    »Der Duncan! der Duncan!« rief er in wahrer Verzweiflung aus. Darauf purzelte er die Treppe hinab und eilte auf seine Cabine zu.
    Sowie der unglückliche Gelehrte das Hinterverdeck verlassen hatte, blieb kein Mensch an Bord, den Major ausgenommen, ernst; bis auf die Matrosen lachten Alle. Den Bahnzug verwechseln! Gut! Nach Edinburgh anstatt nach Dumbarton zu reisen, geht noch an! Aber auf ein falsches Schiff gerathen, nach Chili zu

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