Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
selbst, sind in diesem ungastlichen Lande selten. Deshalb haben sich die Maoris von jeher von Menschenfleisch genährt. Es giebt sogar eine bestimmte Jahreszeit dafür, ›Menschen zu fressen‹, wie in civilisirten Gegenden die Jagdzeit. Dann fangen die großen Streifzüge an, das heißt die großen Kriege, und ganze Völkerschaften werden auf der Tafel der Sieger servirt.
    – Also Ihrer Meinung zu Folge, Paganel, sagte Glenarvan, wird das Menschenfressen erst an dem Tage verschwinden, wo es Schafe, Ochsen und Schweine im Ueberfluß auf den Weiden Neu-Seelands geben wird.
    – Gewiß, mein lieber Lord, und dann wird es noch mancher Jahre bedürfen, ehe die Maoris sich des seeländischen Fleisches entwöhnen werden, welches sie jedem anderen vorziehen, denn die Söhne werden lange das lieben, was ihre Väter geliebt haben. Ihrer Ansicht nach hat dies Fleisch den Geschmack des Schweinefleisches, ist aber noch würziger. Was das weiße Fleisch anbetrifft, so finden sie es weniger lecker, weil die Weißen Salz an ihre Speisen thun, was ihnen einen besonderen Saft verleiht, der von den Feinschmeckern wenig geschätzt wird.
    – Sie sind sehr wählerisch! sagte der Major. Essen sie nun aber das schwarze oder weiße Fleisch gekocht oder roh?
    – He! was kümmert Sie das, Herr Mac Nabbs? rief Robert aus.
    – Nun, mein Junge, antwortete der Major ernsthaft, wenn ich jemals unter den Zähnen eines Menschenfressers enden soll, möchte ich lieber gekocht sein!
    – Weshalb?
    – Um sicher zu sein, nicht lebendig verzehrt zu werden!
    – Gut, Major, versetzte Paganel, aber wenn Sie lebendig gekocht würden?
    – Die Sache ist die, entgegnete der Major, daß ich nicht um eine halbe Krone die Wahl haben möchte.
    – Wie dem auch sei, Mac Nabbs, wenn es Ihnen angenehm ist, so erfahren Sie, daß die NeuSeeländer das Fleisch nur gekocht oder geräuchert essen. Es sind in der Kochkunst sehr wohl bewanderte Leute. Mir, für meinen Theil, ist die Idee, gegessen zu werden, besonders unangenehm! Sein Dasein in dem Magen eines Wilden zu beschließen, pfui!
    – Aus alledem endlich geht hervor, sagte John Mangles, daß wir nicht in ihre Hände fallen dürfen. Lassen Sie uns hoffen, daß das Christenthum eines Tages diese schrecklichen Sitten abschaffen wird.
    – Ja, hoffen wir das, erwiderte Paganel; aber glauben Sie mir, ein Wilder, der Menschenfleisch gekostet hat, wird schwer darauf verzichten. Urtheilen Sie nach folgenden zwei Thatsachen:
    Die erste wird von den Chroniken der Jesuitengesellschaft in Brasilien erzählt. ›Ein portugiesischer Missionär traf eines Tages auf eine alte, sehr kranke Brasilianerin. Sie hatte nur noch einige Tage zu leben, und der Jesuit unterwies sie in den Wahrheiten des Christenthums, welche die Sterbende ohne Widerspruch annahm. Dann, nach der Seelenstärkung, dachte er an die leibliche und bot seinem Beichtkinde einige europäische Leckereien an. Ach! erwiderte die Alte, mein Magen kann keine Art Nahrung mehr vertragen. Ich möchte nur noch etwas essen, aber hier kann es mir unglücklicherweise Niemand verschaffen. – Was ist das? fragte der Jesuit. Ah, mein Sohn! das ist die Hand eines kleinen Knaben! Mir scheint, ich würde die kleinen Knochen mit Vergnügen knabbern!‹
    – Ach! das schmeckt also gut? fragte Robert.
    – Meine zweite Geschichte wird Dir darauf Antwort geben, mein Junge, erwiderte Paganel. ›Eines Tages warf ein Missionär einem Cannibalen diese schreckliche und den göttlichen Gesetzen entgegenstehende Sitte des Menschenfressens vor. Und dann muß es schlecht schmecken! fügte er hinzu. – Ach, mein Vater, antwortete der Wilde, indem er einen lüsternen Blick auf den Missionär warf, sagt, Gott verbietet es, aber sagt nicht, daß es schlecht schmeckt! Wenn Ihr nur davon gekostet hättet! …‹«

Siebentes Capitel.
Die Landung.
    Die von Paganel angeführten Thatsachen waren unwiderlegbar. Die Grausamkeit der Neu-Seeländer konnte nicht bezweifelt werden. Jedenfalls war die Landung mit Gefahr verknüpft, und doch mußte man ihr trotzen, wäre sie auch noch so groß gewesen. John Mangles fühlte die Nothwendigkeit, ohne Verzug ein Schiff zu verlassen, das offenbar dem Untergange nahe war. Von beiden Gefahren war die eine sicher, die andere nur wahrscheinlich, ein Zögern also nicht möglich.
    Auf den glücklichen Zufall, von einem Schiff aufgenommen zu werden, konnte man vernünftiger Weise nicht rechnen. Der Macquarie befand sich nicht in einer Fahrstraße für Schiffe,

Weitere Kostenlose Bücher