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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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eine Stunde lang steigen. Man konnte in dieser Zeit eine Entfernung von zwei Meilen zurücklegen. Da aber hörte die Brise plötzlich auf und schien dann vom Lande her sich wieder erheben zu wollen.
    Das Floß blieb eine Zeit lang unbeweglich, um sich bald darauf unter der Einwirkung der Ebbe nach der hohen See hin zu wenden.
    John konnte nicht eine Secunde zögern.
    »Den Anker nieder!« befahl er.
    Mulrady, der auf die Ausführung dieses Befehles schon wartete, ließ den Anker etwa fünf Faden tief fallen. Das Floß wich ein wenig von dem straff angespannten Taue zurück, und blieb dann in seiner bisherigen Stellung, sein Vordertheil nach dem Ufer hin gerichtet. Das Segel wurde eingezogen und die nöthigen Vorkehrungen für einen längeren Aufenthalt getroffen.
    In der That, die Fluth konnte vor neun Uhr Abends nicht zurückkehren, und da John Mangles nicht daran dachte, während der Nacht zu fahren, so blieb er bis fünf Uhr Morgens vor Anker liegen. Das Land war nun schon wenigstens auf drei Meilen in Sicht.
    Die Wogen erhoben sich mit ziemlich starkem Wellenschlage, und es schien, als ob diese ganze Bewegung nach der Küste zu sich fortsetzte. Glenarvan frug, als er erfuhr, daß man die ganze Nacht vor Anker bleiben wolle, warum John diese Strömung nicht benutze, um sich der Küste zu nähern.
    »Ew. Herrlichkeit, antwortete der junge Kapitän, lassen sich durch eine optische Erscheinung täuschen. Die Strömung ist nur eine scheinbare, eine schaukelnde Bewegung des Wassers, nichts weiter. Werfen Sie ein Stück Holz mitten hinein, und Sie werden sehen, daß es unbeweglich bleibt, so lange sich die Ebbe nicht bemerkbar macht. Wir müssen daher Geduld haben. Und wie steht es mit dem Diner?« fragte John.
    Olbinett nahm aus einer der Kisten einige Stücke trockenes Fleisch und ein Dutzend Zwiebäcke. Der Steward erröthete darüber, seinem Herrn eine so magere Kost bieten zu müssen. Aber sie wurde mit Behagen angenommen, selbst von den Damen, obwohl diese in Folge der unruhigen Bewegungen des Meeres keineswegs Appetit fühlten.
    In der That waren auch diese beständigen Erschütterungen des Flosses mehr als ermüdend, da ein kurzer und regelloser Wellenschlag es unaufhörlich hin-und herwarf, so daß es durch scharfe Felszacken kaum mehr zu leiden gehabt hätte. Man mußte zuweilen wirklich glauben, daß es auf solche aufstoße. Das Ankertau war in unaufhörlicher Bewegung, und John ließ jede halbe Stunde einen Faden mehr nach, um es nicht allzu sehr anzuspannen. Ohne diese Vorsicht wäre es unvermeidlich zerrissen, und das Floß wäre dann, sich selbst überlassen, in die hohe See hinaus geschleudert worden.
    John’s Befürchtungen waren daher wohl begründet, denn das Zerreißen des Taues sowohl, als auch der Verlust des Ankers waren verhängnißvoll.
    Die Nacht nahte. Schon verschwand die Sonne mit blutrother Färbung hinter dem Horizont. Im Westen leuchtete und schimmerte die Wassergrenze wie ein mit Silber durchwirkter Teppich. Dort sah man nur Wasser und Himmel, einen einzigen klar hervortretenden Punkt ausgenommen, das unbewegliche Wrack des Macquarie.
    Die schnell einbrechende Dunkelheit verzögerte kaum um einige Minuten den Eintritt der Nacht, und bald verschwand die Küste, welche im Westen und Norden den Horizont begrenzte.
    Welch’ schreckliche Lage war das nicht für diese armen Schiffbrüchigen, die auf dem winzigen Floß in düstere Finsterniß eingehüllt waren. Die Einen überließen sich einem angstvollen Schlummer mit seinen wirren Träumen, die Anderen konnten auch diesen nicht einmal finden. Bei Tagesanbruch waren alle durch die Mühen der Nacht fast gebrochen.
    Mit der steigenden Fluth erhob sich auch der Wind von der See her. Es war sechs Uhr morgens. Die Zeit drängte. John traf Anstalt, den Anker zu lichten und die Fahrt fortzusetzen. Aber seine Widerhaken hatten sich in Folge der beständigen Bewegungen des Taues tief in den Sand hinein gebohrt. Ohne Winde war es unmöglich, ihn herauszubringen.
    Eine halbe Stunde verrann unter vergeblichen Versuchen. In seiner Ungeduld, abzusegeln, ließ John das Tau kappen und gab den Anker verloren, obwohl er sich damit jede Möglichkeit abschnitt, nöthigenfalls wieder beizulegen, wenn die Fluth nicht genügte, um die Küste zu gewinnen. Aber er wollte nicht länger zögern; ein Beilhieb befreite das Floß, das nun der Brise überlassen war, unter der es mit Hilfe der Strömung zwei Knoten in der Stunde zurücklegte.
    Das Segel wurde wiederum

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