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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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d’Urville, Laplace und Andere, haben es erzählt, und ich kann und muß ihren Berichten Glauben schenken. Die Seeländer sind von Natur grausam. Beim Tode ihrer Häuptlinge bringen sie Menschenopfer, da sie behaupten, daß durch diese der Zorn der Todten besänftigt werde, der die Ueberlebenden treffen könnte, und zu gleicher Zeit bieten sie ihnen dadurch Diener für das andere Leben an! Da sie aber diese Diener nach dem Tode selbst speisen, nachdem sie dieselben geschlachtet haben, hat man Grund zu glauben, daß mehr noch der Magen als der Aberglaube sie dazu treibt.
    – Indessen, sagte John Mangles, bilde ich mir ein, daß die Religion bei diesen Cannibalenscenen eine Rolle spielt. Deshalb meine ich, wenn die Religion wechselt, ändern sich auch die Sitten.
    – Gut, Freund John, antwortete Paganel. Sie berühren da die ernste Frage vom Ursprung der Menschenfresserei. Hat die Religion, hat der Hunger die Menschen dazu getrieben, sich unter einander zu verzehren? Das wäre in diesem Augenblicke ein müßiger Streit, denn die Frage, warum der Cannibalismus existirt, ist noch nicht entschieden; doch daß er da ist, ist eine ernste Thatsache, von der wir nur zu viel Beweise haben.«
    Paganel sprach die Wahrheit. Das Menschenfressen ist in Neu-Seeland ein chronischer Zustand geworden, ebenso wie auf den Fidji-Inseln oder auf der Landenge von Torres. Augenscheinlich ist der Aberglaube bei diesen scheußlichen Gebräuchen mit im Spiel, aber es giebt Cannibalen, weil es Augenblicke giebt, in denen das Wildpret rar und der Hunger groß ist. Die Wilden haben angefangen, Menschenfleisch zu essen, um die Forderungen eines selten gestillten Appetites zu befriedigen; darnach haben die Priester diese schauderhaften Sitten geregelt und gebilligt. Die Mahlzeit ist zur Ceremonie geworden, das ist Alles.
    In den Augen der Maoris ist außerdem nichts natürlicher, als sich unter einander zu verzehren. Die Missionäre haben sie oft über den Cannibalismus befragt, und weshalb sie ihre Brüder verspeisten. Darauf erwiderten die Häuptlinge, daß die Fische die Fische fräßen, wie die Hunde die Menschen und die Menschen die Hunde und wie die Hunde sich unter einander. Sogar ihre Götterlehre berichte davon, daß ein Gott den anderen gefressen habe. Wie könne man bei solchen Vorkommnissen dem Vergnügen, seinesgleichen zu verspeisen, widerstehen?
    Ferner behaupten die Seeländer, daß, wenn man einen todten Feind verzehrt, man seinen geistigen Theil zerstört. Man erbt so seine Seele, seine Kraft, seinen Muth, die besonders im Gehirn enthalten sind. Auch wird dieser Theil des Individuums bei den Festen als Ehrenschüssel bester Güte betrachtet.
    Paganel behauptete indeß und nicht ohne Grund, daß die Sinnlichkeit und vor Allem das Bedürfniß die Seeländer zum Menschenfressen reizten, und nicht allein die Wilden Australiens, sondern auch die Wilden Europas.
    »Ja, fügte er hinzu, der Cannibalismus hat lange bei den Vorfahren der civilisirtesten Völker geherrscht und besonders, halten Sie dies nicht für persönliche Anspielung, bei den Schotten.
    – Wirklich? sagte Mac Nabbs.
    – Ja, Major, erwiderte Paganel. Wenn Sie gewisse Seiten im Heiligen Hieronymus über die Atticoli von Schottland nachlesen, werden Sie sehen, was Sie von Ihren Voreltern zu denken haben. Und ohne bis in die vorhistorischen Zeiten zurückzugehen, wurde nicht unter der Regierung Elisabeth’s, in der Zeit, in welcher Shakespeare von seinem Shylock träumte, ein schottischer Bandit, Namens Sawny Ban, wegen des Verbrechens des Cannibalismus hingerichtet? Welches Gefühl hatte ihn getrieben, Menschenfleisch zu essen? Die Religion? Nein, der Hunger.
    – Der Hunger? fragte John Mangles.
    – Der Hunger, entgegnete Paganel, aber besonders jene Nothwendigkeit für den Fleischfresser, sein Fleisch und Blut durch den in den thierischen Stoffen enthaltenen Stickstoff zu ersetzen. Es ist sehr gut, der Arbeit der Lungen durch Wurzeln und Mehlpflanzen zu Hilfe zu kommen. Wer aber stark und kräftig sein will, muß jene blutbildenden Nahrungsmittel zu sich nehmen, welche die Muskeln ersetzen. So lange die Maoris nicht Mitglieder der Vegetarianischen Gesellschaft sind, werden sie Fleisch verzehren, und zwar Menschenfleisch.
    – Und warum nicht Thierfleisch? sagte Glenarvan.
    – Weil sie keine Thiere haben, antwortete Paganel. Dies muß man wissen, nicht um sie zu entschuldige U, sondern um ihre cannibalischen Gewohnheiten zu erklären. Die Vierfüßler, die Vögel

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