Die Kinder des Kapitän Grant
Bord der österreichischen Fregatte ›Novara‹ im Jahre 1858 die Reise um die Welt machte.
– Herr Paganel, sagte Robert, dessen Augen bei dem Gedanken an so große Expeditionen aufleuchteten, hat auch Neu-Seeland so berühmte Reisende, wie Australien an Burke und Stuart, aufzuweisen?
– Einige, mein Kind, wie den Doctor Hooker, Professor Brizard, die Naturforscher Dieffenbach und Julius Haast, doch sind sie, trotzdem einige derselben ihre abenteuerliche Leidenschaft mit dem Leben bezahlten, nicht so berühmt geworden als die Reisenden in Australien und Afrika.
– Und Sie kennen ihre Geschichte? fragte der junge Grant.
– Das will ich meinen, mein Sohn, und da ich sehe, daß Du brennst, davon eben so viel zu wissen als ich, so werde ich sie Dir erzählen.
– Schönen Dank, Herr Paganel, ich höre zu.
– Und wir natürlich auch, sagte Lady Helena. Es ist nicht das erste Mal, daß das schlechte Wetter uns geradezu gezwungen hat, uns weiter zu unterrichten. Also sprechen Sie zu Allen, Herr Paganel.
– Zu Ihrem Befehl, Madame, erwiderte der Geograph, doch wird mein Bericht nur kurz sein, denn er behandelt nicht jene kühnen Entdecker, welche Mann gegen Mann den australischen Minotaur bekämpften. Neu-Seeland ist ein zu wenig ausgedehntes Land, um sich der Erforschung durch den Menschen lange entziehen zu können. Dazu sind meine Helden auch nicht Entdeckungsreisende im engeren Sinne, sondern einfache Touristen, welche sehr alltäglichen Zufällen zum Opfer fielen.
– Und deren Namen? fragte Mary Grant.
– Da ist der Geometer Witcombe, und Charlton Howitt, derselbe, welcher bei der bemerkenswerthen Expedition, von der ich Ihnen während unseres Aufenthaltes am Wimerra erzählte, die Ueberreste Burke’s auffand. Witcombe und Howitt führten Jeder zwei Expeditionen durch die Insel Tawaï-Pounamon an. Beide gingen in den ersten Monaten des Jahres 1863 von Christchurch aus ab, um verschiedene Pässe über die nördlichen Bergketten der Provinz Canterbury aufzufinden. Howitt erreichte jene an der Westgrenze der Provinz und schlug sein Hauptquartier am Brunner-See auf. Witcombe dagegen fand am Rakaia-Thale eine Uebergangsstelle, welche bis an die Ostseite des Mount Tyndall führte. Er hatte auch einen Reisegefährten, Jacob Louper, welcher später in der ›
Littleton-Times
‹ einen Bericht über diese Fahrt und ihr trauriges Ende abstattete. Soweit ich mich erinnere, befanden sich die Reisenden am 22. April 1863 am Fuße eines Gletschers, von dem der Rakaia entspringt. Sie erstiegen seinen Gipfel, um weitere Uebergänge auszuspähen. Den folgenden Tag lagerten Witcombe und Louper, von Ermüdung und Frost erschöpft, auf tiefem Schnee, 4000 Fuß über dem Meere. Sieben volle Tage irrten sie dann in den Bergen und in Thälern, deren senkrechte Wände keinen Ausweg boten, umher, oft ohne Feuer, manchmal ohne Nahrung, denn ihr Zucker war zu Syrup geworden, ihr Schiffszwieback zu feuchtem Teige, ihre Kleidung und Decken trieften von Regen; sie selbst verzehrt von Insecten, machten bei großen Tagemärschen an drei Meilen, bei kleinen legten sie kaum zweihundert Yards zurück. Am 29. April trafen sie endlich auf eine Maorihütte und in einem Garten auf einige Kartoffeln. Es war das die letzte gemeinschaftliche Mahlzeit der beiden Freunde. An jenem Abend erreichten sie, nahe der Mündung des Taramakan, das Meer. Um nach dem nördlich gelegenen Flusse Grey zu gelangen, mußten sie der Küste rechtshin folgen. Der Taramakan war tief und breit. Louper fand nach stundenlangem Suchen zwei sehr beschädigte kleine Canots, die er nach Kräften ausbesserte und an einander band. Gegen Abend bestiegen sie die beiden Reisenden. Doch kaum in der Hälfte der Strömung angelangt, schöpften jene Wasser. Witcombe sprang heraus und schwamm an das linke Ufer zurück. Jacob Louper, der des Schwimmens unkundig war, klammerte sich an die Boote. Dadurch wurde er, wenn auch auf Umwegen, gerettet. Der Unglückliche wurde gegen die Klippen getrieben; eine Welle begrub ihn unter dem Wasser, die andere hob ihn wieder empor, wobei er noch dazu gegen das Gestein geschleudert wurde. Eine tief dunkle Nacht brach herein; der Regen floß in Strömen. So wurde Louper mit blutigem Leibe mehrere Stunden lang hin und her geworfen. Endlich stieß das Boot gegen das Land, und der schon der Empfindung beraubte Schiffbrüchige wurde auf das Ufer geschleudert. Mit Tagesanbruch schleppte er sich nach einer Quelle und überzeugte sich, daß die Strömung
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