Die Kinder des Kapitän Grant
bedeckte sich sofort mit prächtigen Krystallen.
An dem von der steigenden Fluth bespülten Ufer tummelten sich sorglos verschiedene Meeresbewohner. Die Robben mit ihren runden Köpfen, ihrer breiten, zurücktretenden Stirn und den ausdrucksvollen Augen boten einen friedlichen, fast angenehmen Anblick. So begreift man erst, wie die Fabel, welche diese merkwürdigen Seegeschöpfe in ihrer Art idealisirte, daraus bezaubernde Sirenen machen konnte, obgleich ihre Stimme nur in einem sehr unharmonischen Gurren besteht. Diese an den Küsten Neu-Seelands sehr zahlreich auftretenden Thiere sind sowohl ihres Thranes, als auch ihres Felles wegen der Gegenstand eines sehr lebhaften Handels.
Zwischen ihnen machten sich noch drei bis vier See-Elephanten bemerklich, welche bläulich-grau aussahen und eine Länge von fünfundzwanzig bis dreißig Fuß hatten. Diese enormen Amphibien, welche sich träge auf einem dicken Bette riesiger Laminarien streckten, erhoben ihren Rüssel und bewegten grimassenartig die rauhen Borsten ihrer langen und gewundenen Kinnladen, wahre Pfropfenzieher und gedrechselt, wie der Schnurrbart eines Stutzers. Robert vergnügte sich damit, diese interessante Welt zu beobachten, als er plötzlich ganz erstaunt ausrief:
»Da! Diese Robben fressen Kieselsteine!«
Und wirklich verschlangen mehrere dieser Thiere die Ufersteine mit wahrer Gier.
»Wahrhaftig! Die Thatsache steht fest! bestätigte Paganel. Es ist nicht zu leugnen, daß jene Geschöpfe den steinigen Strand abweiden.
– Eine sonderbare Nahrung, sagte Robert, und gewiß schwer verdaulich!
– Nicht um sich zu nähren, mein Sohn, sondern nur um sich schwerer zu machen, verschlingen diese Amphibien die Steine. Es dient ihnen das als Mittel, ihr specifisches Gewicht zu erhöhen und dadurch leichter tauchen zu können. Kommen sie wieder auf das Land zurück, so geben sie dieselben auch ohne große Umstände wieder von sich. Jene da wirst Du bald in den Wellen verschwinden sehen.«
Bald kroch denn auch etwa ein halbes Dutzend genügend beschwerter Robben schwerfällig nach dem Ufer und tauchte unter das flüssige Element. Glenarvon mochte aber die kostbare Zeit nicht damit verlieren, ihre Rückkehr abzuwarten, um die Wiederentlastung zu beobachten, und so wurde zu Paganel’s großem Leidwesen der unterbrochene Marsch wieder aufgenommen.
Um zehn Uhr rastete man des Frühstücks wegen an großen Basaltblöcken, welche wie Felsengräber der Celten den Meeresstrand umstanden. Eine Austernbank lieferte eine große Menge dieser Schalthiere. Diese Austern waren klein und nicht besonders schmackhaft. Auf Paganel’s Rath aber briet sie Olbinett über glühenden Kohlen, und so zubereitet folgte ein Dutzend dem andern während der ganzen Dauer der Mahlzeit.
Dann ging es wieder längs der Ufer der Bai vorwärts. Auf die ausgezackten Felsen des steilen Gestades hatte sich die ganze Sippschaft der Seevögel geflüchtet: Fregatt-und Spottvögel, Seemöven und riesige Albatrosse, welche unbeweglich auf den höchsten Spitzen saßen. Um vier Uhr Nachmittags waren ohne Anstrengung oder Ermüdung zehn Meilen zurückgelegt. Die Damen wollten den Weg bis zum Eintritt der Nacht fortsetzen. Jetzt mußte auch eine andere Richtung eingeschlagen werden; man mußte sich, unter Umgehung einiger Berge, welche im Norden sichtbar wurden, in das Waipa-Thal begeben.
Die rundköpfigen Robben. (S. 582.)
Weithin zeigten sich sehr ausgedehnte Prairien, die sich am Horizonte verloren und einen bequemen Weg versprachen. Die Reisenden sahen sich aber, als sie den Rand dieser grünen Flächen erreichten, gewaltig enttäuscht. Die Weideplätze zeigten sich als Gebüschgruppen mit kleinen weißen Blüthen, untermischt mit jenen hohen, unzähligen Farrnkräutern, welche den Boden Neu-Seelands ganz besonders lieben. Mit der Axt mußte der Weg durch diese holzigen Stengel gebrochen werden, was natürlich sehr aufhielt. Um acht Uhr Abends waren indeß die ersten Gipfel der Hakarihoata-Ranges umwandert und das Lager wurde unverzüglich aufgeschlagen.
Nach einer Wanderung von vierzehn Meilen durfte man wohl an die Ruhe denken. In Ermangelung eines Wagens oder Zeltes legte sich Jeder nach Belieben am Fuße prächtiger Norfolktannen zum Schlafen nieder. Decken fehlten nicht und mußten dazu dienen, Betten zu improvisiren.
Für die Nacht ergriff Glenarvan die strengsten Vorsichtsmaßregeln. Wohl bewaffnet sollten seine Begleiter und er zu je Zweien bis Tagesanbruch Wache halten. Ein
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