Die Kinder des Kapitän Grant
Feuer wurde nicht angezündet. Diese Flammenwände sind gegen reißende Thiere von Nutzen, aber Neu-Seeland hat weder Tiger, Löwen, noch Bären; doch muß man gestehen, daß die Neu-Seeländer selbst diese genügend ersetzen. Ein Feuer hätte also nur dazu gedient, diese zweibeinigen Jaguare herbeizulocken.
Kurz, die Nacht verlief ganz gut, bis auf die unangenehmen Stiche einiger Sandflöhe, welche in der Ursprache »Ngamu« heißen, und die Angriffe einer kecken Rattenfamilie, welche die Proviantsäcke mit eifrigen Zähnen benagte.
Der seeländische Kiwi. (S. 588.)
Am anderen Tage, dem 8. Februar, erwachte Paganel weit vertrauensvoller und fast ausgesöhnt mit diesem Lande. Die Maoris, welche er vor Allem scheute, waren weder erschienen, noch hatten jene wilden Cannibalen seine Träume belästigt. Er bezeigte gegen Glenarvan seine volle Befriedigung darüber.
»Ich hoffe doch, sagte er, daß diese kleine Promenade ohne Unfall endigen soll. Diesen Abend noch werden wir die Vereinigung des Waipa und Waikato erreicht haben, und über diesen Punkt hinaus ist auf dem Wege nach Auckland ein feindlicher Zusammenstoß mit Eingeborenen kaum zu fürchten.
– Wie weit haben wir, fragte Glenarvan, bis zum Zusammenflusse des Waipa und Waikato?
– Fünfzehn Meilen, also ungefähr eine Strecke, wie wir sie gestern zurückgelegt haben.
– Wir dürften aber sehr aufgehalten werden, wenn diese endlosen Gebüsche die Pfade sperren.
– Nein, entgegnete Paganel, wir folgen nun den Ufern des Waipa; dort sind keine Hindernisse weiter, sondern im Gegentheil, ein bequemer Weg.
– Nun, wohlauf denn!« rief Glenarvan, der auch die Damen schon zum Aufbruche fertig sah.
Noch während der ersten Stunden verzögerten die Gebüsche sehr das Fortkommen. Weder Wagen noch Pferde wären hier zu gebrauchen gewesen. Ihr australisches Gefährt bedauerten die Reisenden also nur wenig. Bis zu dem Tage, da einst Fahrstraßen durch diese Pflanzenwüsten geschnitten sein werden, ist Neu-Seeland nur für einzelne Fußgänger zu bereisen. Die Farrn, die hier in zahllosen Arten vertreten sind, wetteifern mit den Maoris bei der Vertheidigung des heimatlichen Bodens.
Die kleine Gesellschaft hatte also bei Ueberschreitung der Ebenen, in welche die Hügel des Hakarihoata auslaufen, mit tausenderlei Schwierigkeiten zu kämpfen. Vormittags noch erreichte sie aber die Ufer des Waipa, an denen sie ohne Mühe nordwärts hinaufziehen konnte.
Es war ein prächtiges Thal, von kleinen Creeks mit frischem klaren Wasser durchschnitten, welche munter unter den Sträuchern plätscherten. Nach des Botanikers Hooker Angaben sind auf Neu-Seeland bis jetzt zweitausend Pflanzenspecies beobachtet, von denen fünfhundert ihm eigenthümlich sind.
Blumen sind dort selten, und es herrscht fast Mangel an einjährigen Gewächsen, gegenüber einem Ueberflusse an Farrnarten, Gräsern und Umbelliferen.
Da und dort erheben sich einige Bäume über das düstere Grün der ersteren Pflanzen, »Metrosideros« mit scharlachrothen Blüthen, Norfolktannen, Thujas mit senkrecht bei einander stehenden Aesten, und eine Cypressenart, der »Rimu«, von ebenso traurigem Aeußeren, wie ihre europäischen Verwandten. Alle diese Stämme sind von zahlreichen Farrnarten eingeschlossen.
Zwischen den Aesten der hohen Bäume und auf dem Gesträuch sprangen und spielten einige Kakadus umher; der grüne »Kakariki« mit einer rothen Binde unter der Kehle; der mit einer Art schönem schwarzen Backenbart gezierte »Taupo«, und ein Enten-großer Papagei mit rothem Gefieder und glänzender Unterseite der Flügel, den die Naturforscher »
Nestor meridionalis
« genannt haben.
Der Major und Robert konnten, ohne sich von ihren Gefährten zu entfernen, einige Becassinen und Rebhühner schießen, die unter dem Hochwald der Ruhe pflegten. Olbinett rupfte diese, um Zeit zu ersparen, gleich im Gehen.
Paganel seinerseits, der minder empfänglich für den Nährwerth des Wildes war, hätte sich gern einiger Neu-Seeland eigenthümlicher Vögel bemächtigt. Die Wißbegier des Naturforschers besiegte in ihm den Appetit des Reisenden. Sein Gedächtniß rief ihm, wenn es nicht trog, die fremdartige Gestalt des »Tui« der Eingeborenen zurück, der auch bald der »Spottvogel«, wegen seines unausgesetzten Lachens, genannt wird, bald auch der »Pfarrherr«, weil er einen weißen Kragen auf seinem schwarzen Gefieder wie eine Soutane trägt.
»Dieser Vogel, sagte Paganel zu dem Major, wird während des
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