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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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von Hoffnung.
    »Wer weiß, sagte er, indem er Glenarvan den Eindruck wieder vergegenwärtigte, den der Tod Kara-auf den Häuptling zu machen schien, – wer weiß, ob Kai-Koumou Ihnen dafür im Grunde gar nicht etwa verbunden ist?«
    Trotzdem aber wollte Glenarvan keine Hoffnung schöpfen.
    Auch der andere Tag verlief, ohne daß zum Martern der Gefangenen Anstalt getroffen worden wäre. Der Grund dafür lag in Folgendem:
    Die Maoris nehmen an, daß die Seele des Verstorbenen seinen Körper noch drei Tage lang bewohne, und lassen diesen deshalb ebenso lange unbegraben. Dieser Gewohnheit folgen sie mit aller Strenge. Bis zum 15. Februar blieb der »Pah« verlassen. John Mangles stieg dann und wann auf Wilson’s Schultern, um den äußeren Verschlag zu überblicken. Kein Eingeborener war sichtbar. Nur die Wachen, die am Thore des Waré-Atoua einander ablösten, waren auf ihrem Posten.
    Am dritten Tage aber öffneten sich die Hütten. Stumm und ruhig versammelten sich Männer, Frauen und Kinder, zusammen wohl mehrere hundert Maoris in dem »Pah«.
    Kai-Koumou schritt, umgeben von den Häuptern des Stammes, aus seiner Hütte, und nahm in der Mitte der Umplankung auf einem wenige Fuß hohen Hügel Platz. In einiger Entfernung rückwärts umstanden ihn die Eingeborenen im Halbkreise, wobei die ganze Versammlung in tiefem Schweigen verharrte.
     

    »Tabou! Tabou!« rief Kai-Koumou. (S. 612.)
     
    Auf ein Zeichen Kai-Koumou’s begab sich ein Krieger nach dem Waré-Atoua.
    »Erinnere Dich meiner Bitte!« sagte Lady Helena zu ihrem Gatten. Glenarvan drückte sein Weib an’s Herz.
    Da näherte sich Mary Grant John Mangles.
     

    Ein Menschenfresserfest. (S. 620.)
     
    »Lord und Lady Glenarvan, sagte sie, werden zugeben, daß, wenn eine Frau von der Hand ihres Mannes sterben kann, um einem schmachvollen Leben zu entfliehen, es auch einer Verlobten gestattet ist, zu demselben Zwecke von der Hand des Bräutigams den Tod zu empfangen. In diesem letzten Augenblicke darf ich es ja wohl aussprechen, John, war ich nicht schon lange Ihre Braut im Inneren Ihres Herzens? Kann ich auf Sie zählen, mein theurer John, wie Lady Helena auf Lord Glenarvan?
    – Mary! rief ganz außer sich der junge Kapitän. O, meine geliebte Mary! …«
    Er konnte seine Worte nicht vollenden. Die Matte hob sich und die Gefangenen wurden vor Kai-Koumou geführt; die beiden Frauen hatten sich in ihr Geschick ergeben; die Männer verbargen, was sie litten, unter einer Ruhe, welche von übermenschlicher Energie zeugte.
    Sie kamen vor den NeuSeeländer-Häuptling. Sein Urtheil ließ nicht lange auf sich warten.
    »Du hast Kara-Tété getödtet? sagte er zu Glenarvan.
    – Ich tödtete ihn, erwiderte der Lord.
    – Morgen mit Sonnenaufgang wirst Du sterben.
    – Ich allein? fragte Glenarvan, dessen Herz stürmisch klopfte.
    – O, als ob das Leben unseres Tohonga nicht weit kostbarer wäre, als das Eure!« rief Kai-Koumou aus, dessen Augen von wilder Trauer erglänzten.
    In diesem Augenblicke entstand eine Bewegung unter den Eingeborenen. Schnell warf Glenarvan einen Blick umher. Bald öffnete sich die Menge, und ein schweißgebadeter, erschöpfter Krieger trat hindurch.
    »Du kommst vom Lager der Pakekas?
    – Ja, antwortete der Maori.
    – Hast Du den Gefangenen, unseren Tohonga, gesehen?
    – Ich sah ihn.
    – Lebt er?
    – Er ist todt. Die Engländer erschossen ihn.«
    Um Glenarvan und seine Begleiter war es geschehen.
    »Alle, rief Kai-Koumou, Alle sterbt Ihr morgen mit Tagesanbruch.«
    Eine gleiche Strafe erwartete also alle die Armen. Lady Helena und Mary Grant sandten einen Blick innigsten Dankes zum Himmel.
    Die Gefangenen wurden nun nicht mehr nach dem Waré-Atoua zurück geführt. Sie mußten an diesem Tage dem Begräbnisse des Häuptlings und den begleitenden blutigen Auftritten beiwohnen. Eine Anzahl Eingeborener geleitete sie bis zum Fuße eines ungeheuren Koudi. Dort blieben Wachen bei ihnen, die sie nicht aus den Augen verloren. Der ganze übrige Maoristamm schien sie über seinem officiellen Schmerze vergessen zu haben.
    Die vorschriftsmäßigen drei Tage seit Kara-Tété’s Tode waren vorüber. Die Seele des Verblichenen mußte also ihre sterbliche Hülle nun verlassen haben. Die Ceremonie begann.
    Der Körper wurde auf einen kleinen Hügel in der Mitte der Umplankung gebracht. Er war in prächtiger Kleidung und in eine schöne Phormiummatte eingehüllt. Sein mit Federn geschmücktes Haupt trug eine Krone von grünen Blättern. Weder das

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