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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Meine Gefährten sind Engländer, wie ich. Wir sind Reisende, Schiffbrüchige. Aber wir haben an dem Kriege nicht Theil genommen, wenn Du Gewicht darauf legst, das zu wissen.
    – Darauf kommt es nicht an! erwiderte in brutaler Weise Kara-Tété. Jeder Engländer ist unser Feind. Deine Landsleute haben unsere Insel überfallen, unsere Felder gestohlen! Ja, sie haben sogar unsere Dörfer niedergebrannt!
    – Sie haben Unrecht daran gethan! erwiderte Glenarvan mit fester Stimme. Ich sage Dir das, weil ich es denke, und nicht, weil ich in Deiner Macht bin.
    – Höre, sprach Kai-Koumou, der Tohonga, der große Priester Nouï-Atoua’s, ist in die Hände Deiner Brüder gefallen. Er ist Gefangener der Pakekas (Europäer). Unser Gott befiehlt uns, sein Leben wieder zu erkaufen. Ich hätte Dir gern das Herz aus dem Leibe gerissen und gewünscht, daß Dein Kopf und die Deiner Gefährten für ewige Zeiten auf die Pfähle dieser Palissaden gesteckt worden wären. Aber Nouï-Atoua hat gesprochen.«
    Bei diesen Worten zitterte Kai-Koumou, der bis dahin Herr seiner selbst geblieben war, vor Zorn, sein Gesicht drückte eine wilde Erregung aus. Nach einigen Augenblicken fuhr er in kälterem Tone fort:
    »Glaubst Du, daß die Engländer unseren Tohonga gegen Deine Person auswechseln werden?«
    Glenarvan zögerte mit der Antwort und beobachtete aufmerksam den maorischen Häuptling.
    »Ich weiß es nicht, sagte er nach einem Augenblicke des Schweigens.
    – Sprich, fuhr Kai-Koumou fort. Gilt Dein Leben das unseres Tohonga?
    – Nein, antwortete Glenarvan. Ich bin weder ein Chef, noch ein Priester unter meinen Landsleuten.«
    Paganel, ganz erstaunt über diese Antwort, betrachtete Glenarvan mit wahrer Bestürzung.
    Kai-Koumou schien gleichfalls erstaunt.
    »Also Du zweifelst daran? frug er.
    – Ich weiß es nicht, antwortete Glenarvan.
    – Werden Deine Landsleute Dich nicht gegen unseren Tohonga austauschen?
    – Mich allein? Nein, erwiderte Glenarvan. Uns Alle vielleicht.
    – Bei den Maoris, sagte Kai-Koumou, gilt der Grundsatz: Kopf für Kopf.
    – Biete zuerst diese Frauen als Austausch gegen Deinen Gefangenen«, sagte Glenarvan, indem er auf Lady Helena und Mary Grant hinwies.
    Lady Helena wollte zu ihrem Gatten hinstürzen. Der Major hielt sie zurück.
    »Diese beiden Damen, fuhr Glenarvan fort, indem er sich ehrfurchtsvoll gegen Lady Helena und Mary Grant verbeugte, nehmen in ihrem Vaterlande einen hohen Rang ein.«
    Mit kaltem Blicke maß der Krieger seinen Gefangenen. Ein böses Lächeln spielte um seine Lippen, doch unterdrückte er es sofort und antwortete mit kaum verhaltener Stimme:
    »Hoffst Du Kai-Koumou durch falsche Worte zu täuschen, verfluchter Europäer? Glaubst Du, daß Kai-Koumou’s Augen nicht in den Herzen zu lesen verstehen?«
    Und auf Lady Helena zeigend, sagte er:
    »Das ist Deine Frau!
    – Nein! Die Meinige!« rief Kara-Tété, drängte die Gefangenen zurück, und schon legte sich seine Hand auf Lady Helena’s Schultern, die bei dieser Berührung erbleichte.
    »Edward!« rief die unglückliche bestürzte Frau.
    Glenarvan erhob, ohne ein Wort zu sagen, den Arm. Ein Schuß krachte. Kara-Tété fiel todt nieder.
    Bei dem Knalle stürzte ein Schwarm Eingeborener aus den Hütten. Der »Pah« füllte sich augenblicklich. Hundert Arme erhoben sich gegen die Unglücklichen. Glenarvan wurde der Revolver aus der Hand gerissen.
    Kai-Koumou schleuderte einen wilden Blick auf Glenarvan; dann deckte er mit der einen Hand den Körper des Mörders, und hielt mit der anderen die Menge zurück, welche hervorbrechen wollte.
    Seine Stimme beherrschte den Tumult.
    »Tabou! Tabou!« rief er aus.
    Sofort hielt die Menge vor Glenarvan und seinen Genossen, wie durch übernatürliche Gewalt gefesselt, an.
    Einige Augenblicke später wurden sie zum Waré-Atoua, der ihnen zum Gefängniß diente, zurückgeführt. Aber Robert Grant und Jacques Paganel waren nicht mehr bei ihnen.

Zwölftes Capitel.
Das Begräbniß eines Maori-Häuptlings.
    Kai-Koumou verband, wie das in Neu-Seeland häufig vorkommt, den Titel eines Ariki mit dem des Stammeshäuptlings. Mit der Priesterwürde bekleidet, stand es bei ihm, Personen oder Sachen durch den abergläubischen Schutz des Tabou zu decken.
    Der Tabou, welcher allen polynesischen Völkern gemeinschaftlich ist, hat die sofortige Folge, jede Beziehung zu der Person, sowie jeden Gebrauch des Gegenstandes, der damit belegt ist, zu unterbrechen. Nach der Maori-Religion würde Jeder, der seine

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