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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Kummers, ja trotz des Entsetzens, das sie erfaßt hatte, nahmen sie doch gemeinschaftlich ihr Abendessen ein.
    »Wir werden nie zu viele Kräfte haben, hatte Glenarvan gesagt, um dem Tod in’s Angesicht zu schauen. Es gilt jetzt, diesen Barbaren zu zeigen, wie Europäer zu sterben wissen.«
    Nach Schluß der Mahlzeit sprach Lady Helena mit lauter Stimme einen Abendsegen. Alle nahmen entblößten Hauptes an dem Gebete Theil.
    Wo ist der Mensch, der angesichts des Todes nicht an Gott dächte?
    Nach Erfüllung jener Herzenspflicht umarmten sich die Gefangenen.
    Mary Grant und Helena legten sich in einer Ecke der Hütte nieder. Der Schlaf, der alle Qualen heilt, senkte sich bald auf ihre Lider; von der Erschöpfung und langen Schlaflosigkeit überwunden, entschlummerten sie, Eine im Arme der Andern.
    Dann nahm Glenarvan seine Freunde zur Seite und sprach:
     

    Begräbniß eines NeuSeeländer-Häuptlings. (S. 621.)
     
    »Meine theuren Gefährten, unser Leben und das dieser armen Frauen gehört ja Gott. Ist es des Himmels unerforschlicher Rathschluß, daß wir morgen sterben sollen, nun, so werden wir es als Menschen voller Muth, als Christen thun, und bereit sein, furchtlos vor den höchsten Richter zu treten. Gott, der ja unser Inneres sieht, weiß auch, daß wir ein edles Ziel verfolgten. Wie hart uns sein Beschluß auch treffe, ich murre nicht gegen ihn. Aber der Tod hier ist nicht nur Tod allein, er ist eine Strafe, vielleicht eine Schandthat, und hier, diese beiden Frauen …«
    Glenarvan’s bis hierher feste Stimme erzitterte. Er schwieg, um seine Erregung zu bemeistern. Nach wenig Augenblicken sagte er zu dem jungen Kapitän:
    »John, Du hast Mary dasselbe versprochen, wie ich der Lady Helena. Was ist Dein Entschluß?
    – Ich glaube, erwiderte John Mangles, vor Gott die Pflicht zu haben, dieses Versprechen zu erfüllen.
    – Gewiß, John, doch wir haben keine Waffen.
    – Hier ist noch eine, sagte John, indem er einen Dolch vorwies. Ich habe sie Kara-Tété’s Hand entrissen, als er zu Ihren Füßen niedersank.
    Wohlan, Mylord, wer von uns den Andern überlebt, der wird das Gelübde gegen Lady Helena und Mary Grant erfüllen.«
    Ein tiefes Schweigen herrschte nach diesen Worten in der Hütte. Endlich unterbrach es der Major mit den Worten:
    »Jenes äußerste Mittel, meine Freunde, bleibe für die letzten Minuten aufgespart. Ich betheilige mich nicht gern bei Etwas, was nie wieder rückgängig zu machen ist.
     

    Glenarvan und Lady Helena gleiten am Seile herab. (S. 630.)
     
    – Ich sprach hier nicht für uns, sagte Glenarvan, wir werden dem Tode zu trotzen wissen, er sei, welcher er wolle. Ja, wären wir allein, schon zwanzigmal hätte ich wohl angefeuert: Meine Freunde, versuchen wir einen Ausfall, greifen wir jene Elenden an! Aber sie! Sie …!«
    John lüftete in diesem Augenblicke die Matte und zählte an fünfundzwanzig Eingeborene, welche das Thor des Waré-Atoua bewachten. Sie hatten ein großes Feuer angezündet, welches die unebene Oberfläche des Pah mit trübem Scheine beleuchtete. Von den Wilden lagen die Einen um die Feuerstelle ausgestreckt, während die Anderen unbeweglich dastanden und mit ihren dunklen Gestalten gegen die helle Flammenwand grell abstachen. Alle aber richteten die Blicke häufig nach der ihrer Wachsamkeit anvertrauten Hütte.
    Es wird behauptet, daß zwischen einem Kerkermeister, welcher Wache hält, und einem Gefangenen, welcher fliehen will, der Vortheil auf der Seite des Gefangenen sei. Wirklich ist das Interesse des Einen meist stärker, als das des Andern. Dieser kann es vergessen, daß er auf Wache ist, Jener aber nie, daß er bewacht wird. Der Gefangene denkt weit häufiger daran, eine Flucht zu bewerkstelligen, als der Wächter, sie zu verhindern, was die häufigen und wunderbaren Entweichungen wohl erklärt.
    In diesem Falle aber bewachte der Haß und die Rache die Gefangenen, und kein indifferenter Schließer. Wenn diese nicht gefesselt worden waren, so kam das daher, daß man es für überflüssig erachten mochte, da fünfundzwanzig Mann den einzigen Ausgang des Waré-Atoua versperrten.
    Diese Hütte, welche rückwärts an dem Felsen anlag, der die Umzäunung begrenzte, war nur von dem Plateau des Pah aus über eine schmale Landzunge zugänglich. Die beiden anderen Wände standen dicht an senkrechten Felswänden über einem etwa hundert Fuß tiefen Abgrunde. Ein Heruntersteigen war an diesen Stellen unmöglich. Auch auf der Rückseite, welche der ungeheure

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