Die Kinder des Kapitän Grant
schrieb sich eben auch die heftige Wuth der Matrosen, die ihm gern einen schlechten Streich gespielt hätten.
Noch mehrmals wiederholte Glenarvan seine Versuche mit Ayrton. Versprechungen und Drohungen waren vergeblich. Der Starrsinn des Quartiermeisters ging so weit und war so unerklärlich, daß der Major zu der Meinung kam, er wisse gar Nichts, welche übrigens der Geograph theilte, zumal da sie auch seine besonderen Ansichten über Harry Grant nur befestigten.
Wenn Ayrton aber Nichts wußte, warum gestand er es nicht ein? Das konnte ihm doch Nichts verschlagen, während sein Schweigen die Schwierigkeit, einen neuen Plan zu entwerfen, nur steigerte. Sollte man daraus, daß man den Quartiermeister in Australien traf, auch auf die Anwesenheit Harry Grant’s auf diesem Continente schließen? Um jeden Preis mußte man Ayrton veranlassen, sich darüber zu erklären.
Da Lady Helena die Mißerfolge ihres Gatten sah, bat sie ihn um die Erlaubniß, selbst einmal gegen die Verstocktheit des Quartiermeisters anzukämpfen. Wo ein Mann gescheitert war, sollte da nicht der sanfte Einfluß einer Frau obsiegen? Ist es nicht eine alte Fabel, daß der Orkan den Schultern des Reisenden den Mantel nicht entreißen konnte, während es dem ersten warmen Sonnenstrahle gelang?
Da Glenarvan die Intelligenz seiner Frau kannte, ließ er ihr volle Freiheit des Handelns.
Ayrton wurde also, es war der 5. März, in Lady Glenarvan’s Salon geführt. Mary Grant sollte der Zusammenkunft beiwohnen, denn der Einfluß des jungen Mädchens war nicht zu unterschätzen, und Lady Helena wollte Nichts zur Sicherung des Erfolges vernachlässigen.
Eine Stunde lang blieben die beiden Frauen mit dem Quartiermeister der Britannia allein, aber ihre Unterhaltung war fruchtlos. Was sie gesprochen, die Argumente, welche sie benutzten, um dem Verbrecher sein Geheimniß abzulocken, alle Einzelheiten des Gespräches blieben unbekannt.
Die beiden Frauen mit dem Quartiermeister. (S. 679.)
Als aber Ayrton sie verließ, schienen sie Nichts ausgerichtet zu haben, denn ihre Züge verriethen die vollkommenste Entmuthigung.
Ayrton zuckte nur mit den Achseln. (S. 680.)
Als der Quartiermeister nach seiner Cabine zurückgeführt wurde, überhäuften die Matrosen den Vorübergehenden mit Drohungen. Dieser zuckte nur mit den Schultern, was die Aufregung der Mannschaft nur steigerte, so daß es des Dazwischentretens Glenarvan’s und John Mangles’ bedurfte, um sie im Zaume zu halten.
Lady Helena hielt sich aber noch nicht für überwunden. Sie wollte bis zuletzt gegen diese fühllose Seele kämpfen, und so ging sie am andern Tage selbst nach Ayrton’s Cabine, um die Auftritte zu vermeiden, welche sein Erscheinen auf dem Deck hervorrief.
Zwei Stunden lang blieb die gute und sanfte Schottin allein, Auge in Auge mit dem Verbrecherhauptmann. Glenarvan lief, eine Beute seiner Erregung, vor der Cabine hin und her, einmal mit dem Entschlusse, jede Aussicht auf Erfolg zu erschöpfen, und dann wieder, seine Gattin dieser peinlichen Unterredung zu entziehen.
Als Lady Helena aber diesmal herauskam, verriethen ihre Züge einige Hoffnung. Hatte sie nun das Geheimniß erfahren und in dem Herzen dieses Bösewichtes die letzten Fasern seines Gefühles getroffen?
Mac Nabbs, welcher sie zuerst sah, konnte ein sehr natürliches Zeichen des Unglaubens nicht zurückhalten.
Bald verbreitete sich unter der Mannschaft das Gerücht, daß der Quartiermeister dem Zureden der Lady Helena nachgegeben habe. Es wirkte wie eine elektrische Erschütterung. Alle Matrosen liefen auf dem Verdecke zusammen, und zwar schneller, als wenn Tom Austin’s Pfeife sie zur Arbeit gerufen hätte.
Inzwischen war Glenarvan zu seiner Gattin geeilt.
»Hat er gesprochen? fragte er.
– Nein, erwiderte Lady Helena, aber er gab meinen Bitten so weit nach, daß er Dich zu sprechen wünscht.
– O, beste Helena, Du hast gewonnen!
– Ich hoffe es, Edward.
– Bist Du irgend ein Versprechen eingegangen, das ich zu erfüllen hätte?
– Ein einziges, mein Freund, daß Du allen Deinen Einfluß aufwenden werdest, das Loos, welches diesen Unglücklichen erwartet, zu mildern.
– Gut, meine Helena. Ayrton mag sofort kommen.«
Lady Helena zog sich in ihr Zimmer zurück, und der Quartiermeister wurde nach dem Versammlungsraum geführt, wo ihn Lord Glenarvan erwartete.
Neunzehntes Capitel.
Ein Vertragsabschluß.
Sobald der Quartiermeister sich vor dem Lord befand, zogen seine Wächter sich
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