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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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älteren Abkömmlingen der chilenischen Race, bewohnt. Es ist ein stolzer und starker Menschenschlag, der einzige Stamm in Nord-und Südamerika, der niemals einer Fremdherrschaft unterworfen war. Gehörte Arauco zwar den Spaniern, so unterwarf sich wenigstens die Bevölkerung nicht; sie widerstand damals, wie sie noch heut zu Tage den Eroberungsplänen der Chilenen widersteht, und ihre unabhängige Flagge weht noch unangetastet auf dem Gipfel eines befestigten Hügels, unter dessen Schutz die Stadt liegt.
    Die kleine Truppe nahm ihr Nachtlager im offenen Hof eines ziemlich unbehaglichen Wirthshauses der Stadt. Während die Abendmahlzeit bereitet wurde, machten Glenarvan, Paganel und der Catapaz einen Gang zwischen den mit Stroh gedeckten Häusern. Außer einer Kirche und den Trümmern eines Franciscanerklosters zeigte sich nichts Merkwürdiges. Glenarvan bemühte sich vergeblich, einige Erkundigungen einzuziehen. Paganel war trostlos, daß er sich nicht verständlich machen konnte; da aber hier araucanisch gesprochen wurde, eine Ursprache, die bis zur Magelhaen’schen Straße herrscht, so konnte ihm sein Spanisch nichts helfen. Er suchte also für seine Augen Beschäftigung in Beobachtung der Grundgestalten der araucanischen Race. Die Männer waren von hohem Wuchs, hatten ein plattes Gesicht, Kupferfarbe, bartloses Kinn, mißtrauischen Blick, einen breiten Kopf mit starkem schwarzen Haarwuchs. Ihre Frauen, von jämmerlichem Aussehen, doch muthig, haben die mühevollsten Hausarbeiten zu verrichten, die Pferde zu besorgen, die Waffen zu putzen, das Feld zu bestellen; sie gingen für ihre Herren auf die Jagd, und fanden noch Zeit, die türkisenblauen Punchos zu fertigen, welche zwei Jahre Zeit erfordern und mindestens um hundert Dollars verkauft werden. Kurz, diese Moluchen sind ein ziemlich rohes Volk, das gegen die einzige Tugend des Unabhängigkeitssinns fast alle menschlichen Fehler besitzt.
    »Echte Spartaner«, sagte Paganel beim Abendessen, mit etwas Uebertreibung; dann erzählte er, wie einmal einer seiner Landsleute, ein Advocat aus Perigueux, den Thron von Araucanien inne gehabt, aber dabei erfahren mußte, was entthronte Könige »Undankbarkeit der Unterthanen« nennen. Sie lachten und tranken etwas Chicha 2 auf die Gesundheit des Exkönigs Anton I. von Araucanien. Darauf sanken die Reisenden in ihren Puncho gehüllt in tiefen Schlaf.
    Am folgenden Morgen um acht Uhr schlugen sie ihren Weg in gerader Richtung nach Osten ein. Derselbe führte Anfangs noch durch das fruchtbare von Weinbergen und Heerden gesegnete Araucanien. Aber allmälig ward das Land öde. Kaum sah man, meilenweit von einander entfernt, einzelne Hütten eingeborener Pferdebändiger, »Rastreadores«. Hier und da ein verlassener Pferdewechselort, der den in der Ebene schweifenden Eingeborenen zum Zufluchtsort dient. Zwei Flüsse versperrten ihnen den Weg, der Raque und Tubal. Aber der Catapaz kannte Fährten, um hinüber zu gelangen. Am Horizont sah man die Andenkette, nordwärts mit hohen runden Gipfeln und vielen Pics. Es waren das nur niedrige Ausläufer des ungeheuern Bergrückens, welcher das Gerüste des ganzen Continents bildet.
    Um vier Uhr Nachmittags, nachdem man fünfunddreißig englische Meilen zurückgelegt hatte, wurde auf offenem Felde unter einem Buschwerk von Riesenmyrthen gerastet. Die Maulthiere, von ihrem Gebiß befreit, weideten im dichten Gras. Die Alforjas spendeten Fleisch und Reis. Die auf den Boden gebreiteten Schafpelze dienten als Decke, die Sättel zu Kopfkissen, und jeder genoß auf diesem improvisirten Lager eine erquickende Ruhe, während der Catapaz und die Péons abwechselnd Wache hielten.
    Weil das Wetter so günstig blieb, weil alle Reisenden, Robert nicht ausgenommen, sich vollkommen wohl befanden, weil endlich die Reise so glücklichen Anfang hatte, mußte man die günstigen Umstände benützen und rastlos weiter gehen. Am folgenden Tage setzte man ohne Unfall über den reißenden Bell, und als man Abends am Ufer des Rio Biobio, welcher das spanische Chili vom unabhängigen scheidet, lagerte, konnte Glenarvan abermals fünfunddreißig Meilen als zurückgelegt aufzeichnen. Das Land war unverändert ergiebig, reich an Amaryllis, baumartigen Veilchen, Stechäpfeln und gelbblühendem Cactus. Im Buschwerk lauerten geduckt verschiedene Thiere, darunter Pantherkatzen. Ein Reiher, ein Käuzlein, Drosseln und Silbertaucher waren die einzigen Vertreter des Federviehs. Aber einheimische Bewohner gewahrte man wenig.

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