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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Entfernungen an verschiedene Höhepunkte vertheilt, ihre Nachforschungen. Sie hielten sich dabei beständig rechts von der Linie, wo sie herabgekommen waren, durchsuchten die geringsten Spalten, stiegen in die Tiefen der Abgründe, die zum Theil mit Trümmern bedeckt waren, mit Lebensgefahr hinab, und kamen mitunter mit zerfetzten Kleidern, blutigen Händen und Füßen wieder heraus. Diese ganze Strecke der Anden, einige unzugängliche Höhepunkte ausgenommen, wurde auf’s Sorgfältigste durchsucht, ohne daß sich die wackeren Leute Ruhe und Rast gönnten. Alles vergebens. Der Knabe mußte nicht allein den Tod, sondern auch sein Grab zwischen den Felsblöcken gefunden haben.
    Gegen ein Uhr fanden sich Glenarvan und seine Genossen erschöpft und wie vernichtet wieder im Thale zusammen. Glenarvan, vom heftigsten Schmerz übermannt, konnte kaum reden, nur einzelne Worte und Seufzer fielen von seinen Lippen.
    »Nein, ich gehe nicht weg, nicht weg von hier!«
    Jeder begriff und achtete die zur fixen Idee gewordene Hartnäckigkeit.
    »Warten wir, sagte Paganel zum Major und Tom Austin. Ruhen wir etwas aus, unsere Kräfte zu ersetzen. Wir bedürfen’s, sei’s zur Fortsetzung unserer Untersuchungen oder unserer Reise.
    – Ja wohl, erwiderte Mac Nabbs; aber worauf hofft denn Edward.
    – Gott weiß es, sagte Tom Austin.
    – Armer Robert!« jammerte Paganel mit Thränen in den Augen.
    Das Thal war reich an Bäumen. Der Major wählte eine Gruppe, um einen provisorischen Lagerplatz darunter einzurichten. Einige Decken, die Waffen, ein wenig Dürrfleisch und Reis, das war Alles, was die Reisenden noch hatten. Ein Bach in der Nähe lieferte nur ein getrübtes Wasser. Mulrady zündete ein Feuer an, und konnte bald seinem Herrn einen warmen, erquickenden Trank darbieten. Aber Glenarvan nahm ihn nicht an, und blieb in tiefer Niedergeschlagenheit auf seinen Puncho gelagert.
    So verfloß der Tag. Die Nacht war ruhig und windstill, wie die vorige. Glenarvan stieg, während seine Gefährten schlaflos dalagen, die Cordillerenabhänge wieder hinan. Er lauschte, stets in Hoffnung, daß ein Hilferuf zu seinen Ohren dringen werde, die er mit bangem Herzklopfen an den Boden hielt. Dann rief er wieder mit jammerndem Ton.
    Die ganze Nacht hindurch streifte der arme Lord im Gebirge umher, bald von Paganel, bald von dem Major gefolgt, um ihm beizustehen, wann ein unvorsichtiger Schritt ihn in Gefahr brächte. Aber alles war vergebens, und dem tausendfachen Ruf: Robert! antwortete nur das Echo.
    Der Tag brach an. Man mußte Glenarvan auf fernen Höhen aufsuchen und, so hart es ihm auch ward, zurückführen. Bei seiner Verzweiflung konnte man nicht von Abreise reden. Doch die Lebensmittel gingen aus. Nicht weit von da mußte man argentinische Maulthiertreiber treffen, sowie die für den Zug über die Pampas erforderlichen Pferde. Rückwärts zu gehen war schwieriger, als weiter vorwärts zu dringen. Zudem war am Atlantischen Ocean das Zusammentreffen mit dem Duncan verabredet. Alle diese schwer wiegenden Gründe sprachen gegen längeres Verweilen, und im Interesse Aller durfte die Abreise nicht verschoben werden.
    Mac Nabbs versuchte Glenarvan seinem Schmerz zu entreißen. Er sprach lange, ohne daß sein Freund es zu hören schien. Glenarvan schüttelte mit dem Kopf; nur einige Worte entfuhren seinen Lippen.
    »Abreisen? sagte er.
    – Ja, abreisen.
    – Nur noch eine Stunde!
    – Ja, eine Stunde noch«, erwiderte der würdige Major.
    Und als die Stunde vorüber war, bat Glenarvan, ihm noch eine weitere zu vergönnen. So ging’s bis zu Mittag etwa. Dann erklärte Mac Nabbs im Namen Aller, man dürfe nicht länger zaudern, das Leben Aller stehe auf einer raschen Entschließung.
    »Ja! ja! erwiderte Glenarvan. So reisen wir ab!«
    Bei diesen Worten richtete er den Blick zum Himmel. Hier fesselte ihn ein schwarzer Punkt. Plötzlich hob er die Hand auf und wies unverwandt darauf hin.
    »Dort, dort, sehen Sie nur!«
    Aller Augen richteten sich dahin. Der schwarze Punkt ward merklich größer.
    »Ein Condor, sagte Paganel.
    – Ja, ein Condor, erwiderte Glenarvan. Wer weiß? Er kommt herab! Geben wir Acht!«
    Paganel hatte sich nicht geirrt; jeden Augenblick wurde der Condor kenntlicher. Dieser prachtvolle Vogel erreicht in jenen Gegenden eine außerordentliche Größe und erstaunliche Stärke: er vermag Ochsen, in die Abgründe zu stoßen, und Hammel, Kälber, Ziegen hoch in die Lüfte zu heben. Er schwebt mitunter in einer Höhe von 20,000 Fuß,

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