Die Kinder des Kapitän Grant
selbst, Keiner würde im Stande sein, Thalcave an dem verabredeten Punkte wieder aufzufinden, während wir voller Vertrauen unter dem Banner des braven Jacques Paganel marschiren werden.
– Ich verzichte also, antwortete der Geograph, dem es schmeichelte, eine Art Obercommando zu übernehmen.
– Aber keine Zerstreutheiten, muß ich bitten, setzte der Major hinzu. Führen Sie uns nicht dahin, wo wir Nichts zu schaffen haben, und bringen Sie uns nicht etwa nach den Küsten des Stillen Oceans zurück.
– Sie verdienten es eigentlich, Sie unausstehlicher Major, erwiderte Paganel lachend. Indessen, lieber Glenarvan, sagen Sie mir, wie denken Sie sich mit Thalcave zu verständigen?
– Ich denke, daß der Patagonier und ich nicht viele Veranlassung zum Plaudern haben werden. Mit den paar spanischen Worten, die ich inne habe, werde ich übrigens bei dringender Veranlassung wohl im Stande sein, ihm meine Gedanken auszudrücken und die seinigen zu verstehen.
– So ziehen Sie hin, mein werther Freund, antwortete Paganel.
– Zunächst wollen wir zu Abend essen und wenn möglich bis zur Stunde der Abfahrt schlafen.«
Die Gesellschaft nahm ihr Abendessen ohne dazu zu trinken ein, was wenig erquickend erschien, und schlief, da sie nichts Besseres zu thun hatte. Paganel träumte von Gießbächen, von Flüssen, Strömen, Teichen, Bächen, von gefüllten Caraffen, kurz von Allem, was gewöhnlich trinkbares Wasser enthält. Es war ein wahres Alpdrücken.
Am andern Morgen wurden um sechs Uhr die Pferde Thalcave’s, Glenarvan’s und Robert Grant’s gesattelt; sie erhielten die letzte Ration Wasser, die sie mit mehr Begierde als Befriedigung verzehrten, denn sie war fast ekelerregend. Dann saßen die drei Reiter auf.
»Auf Wiedersehen! riefen der Major, Austin, Wilson und Mulrady.
– Und vor Allem, seht zu, daß Ihr nicht wieder zurück kommt!« fügte Paganel hinzu.
Bald verloren der Patagonier, Glenarvan und Robert, nicht ohne eine gewisse Beklemmung zu fühlen, die der Klugheit des Geographen anvertraute Truppe aus den Augen.
Die »Desertio de las Salinas«, durch welche sie kamen, ist eine thoniglehmige Ebene, bedeckt mit verkrüppeltem, zehn Fuß hohem Gesträuch kleiner Mimosenarten, welche die Indianer »Curra-Mammel« nennen, und mit »Jumes«, einem buschigen, salzreichen Strauche. Da und dort spiegelten große Bodenstrecken die Strahlen der Sonne mit erstaunlicher Stärke zurück.
Robert ergriff des Lords Hand und küßte sie. (S. 156.)
Das Auge konnte diese »Barreros«, das sind mit Salz durchsetzte Landstrecken leicht mit Eisflächen, die von strenger Kälte herrührten, verwechseln, hätte nicht der Sonnenbrand ihm sofort diese Täuschung benommen. Immerhin verlieh dieser Gegensatz zwischen dem trockenen und verbrannten Boden und jenen blinkenden Stellen der Wüstenei ein ganz besonderes Aussehen, das den Blick interessirte.
Dagegen bot diese Sierra Ventana, achtzig Meilen nach Süden zu, wohin die etwaige Trockenheit des Guamini die Reisenden vielleicht zu gehen zwingen konnte, einen sehr verschiedenen Anblick. Dieses im Jahre 1835 durch den Kapitän Fitz-Roy, der damals die Expedition des Beagle befehligte, aufgeschlossene Land ist von ausnehmender Fruchtbarkeit. Dort gedeihen in einer Fülle ohne Gleichen die besten Weideplätze des indianischen Territoriums. Der nordwestliche Abhang der Sierras ist da mit üppigen Gräsern bedeckt und mit Wäldern, welche reich an köstlichen Baumarten sind. Dort sieht man den »Algarrobo«, eine Art Johannisbrodbaum, dessen getrocknete und gemahlene Früchte ein von den Indianern sehr geschätztes Brod liefern; den »weißen Quebracho«, mit langen biegsamen Zweigen, wie bei der europäischen Trauerweide; den »rothen Quebracho«, mit unzerstörbarem Holze; den »Naudubay«, der sich so sehr leicht entzündet, und nicht selten furchtbare Feuersbrünste veranlaßt; den »Viraro«, dessen violette Blüthen sich pyramidenförmig aufbauen, und endlich den »Timbo«, der seine ungeheure sonnenschirmartige Krone bis achtzig Fuß in die Luft erhebt, und unter dem sich ganze Heerden vor den Strahlen der Sonne schützen können. Die Argentiner haben schon oft versucht, dieses reiche Land zu colonisiren, haben aber die Feindseligkeit der Indianer noch nicht zu überwinden vermocht.
Ohne Zweifel war die Annahme gestattet, daß zahlreiche Bergwässer von den Höhen der Sierra herabfließen müßten, um das bei so großer Fruchtbarkeit nothwendige Wasser zu
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