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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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zurück, und das unverhüllte Gestirn goß einen neuen Feuerregen über das verkalkte Terrain der Pampas.
    Wenn Wilson aber behauptet hatte, es werde an Trinkwasser nicht fehlen, so brachte er nicht den unauslöschlichen Durst in Anschlag, welcher seine Begleiter während dieses Tages verzehrte, und indem er hinzufügte, man werde unterwegs einen Fluß finden, hatte er zu viel versprochen. In Wirklichkeit fehlten nicht nur Flüsse, denen die vollständige Ebenheit des Bodens kein geeignetes Bett bot, gänzlich, sondern auch die von den Händen der Indianer künstlich ausgegrabenen Wasserlachen waren vollständig vertrocknet. Als Paganel diese Anzeichen von Meile zu Meile zunehmender Trockenheit sah, machte er gegen Thalcave einige Bemerkungen darüber, und fragte ihn, wo er Wasser zu finden hoffe.
    »Am See Salinas, erwiderte der Indianer.
    – Und wann kommen wir da an?
    – Morgen Abend.«
    Gewöhnlich graben die Argentiner, wenn sie die Pampas bereisen, Brunnen aus und treffen nur wenige Toisen unter dem Erdboden auf Wasser. Unsere Reisenden aber, denen die hierzu nöthigen Werkzeuge fehlten, mußten diese Hilfsquelle entbehren. Man mußte sich also auf gewisse Rationen beschränken, und wenn auch Niemand von quälendem Durst ganz und gar zu leiden hatte, so konnte doch auch Keiner denselben vollständig stillen.
    Am Abend machte man Halt, nachdem man dreißig Meilen in einem Zug zurückgelegt hatte. Jedermann rechnete auf eine ruhige Nacht, um sich von den Strapazen des Tages zu erholen, und gerade diese wurde durch eine sehr lästige Wolke von Mosquitos und Schnaken gestört. Ihre Anwesenheit deutete auf eine Aenderung des Windes, der wirklich mit einer Drehung um ein Viertheil nach Norden umschlug. Diese verwünschten Insecten verschwinden nämlich bei Süd-oder Südwestwind sogleich.
    Wenn der Major selbst bei den kleinen Unannehmlichkeiten des Lebens seine Ruhe bewahrte, so war dagegen Paganel über die kleinen Nadelstiche des Geschicks sehr ungehalten. Er wünschte die Mosquitos und Schnaken zum Teufel und bedauerte sehr, kein gesäuertes Wasser zur Hand zu haben, um damit das Brennen der Tausende von Stichen zu mildern. Wenn ihm auch der Major den Trost einzureden suchte, sie könnten sich glücklich schätzen, daß sie es nur mit zwei Arten von den 300,000 Insectenarten, welche die Naturforscher aufzählen, zu thun hätten, so stand dieser doch mit sehr übler Laune auf.
    Dennoch ließ er sich nicht lange bitten, mit der Morgenröthe wieder aufzubrechen, denn es handelte sich darum, noch an dem nämlichen Tage den See Salinas zu erreichen. Die Pferde waren sehr erschöpft; sie kamen vor Durst fast um, und wenn sich die Reiter auch um ihretwillen selbst einschränkten, so fiel doch ihr Antheil an Wasser sehr knapp aus. Die Trockenheit nahm noch mehr zu und die Hitze war bei dem staubigen Nordwinde, jenem Samum der Pampas, nicht weniger unerträglich.
    An diesem Tage wurde die Einförmigkeit des Zuges auf einen Augenblick unterbrochen. Mulrady, welcher vorausritt, kehrte plötzlich um, und meldete die Annäherung einer Anzahl Indianer. Diese Begegnung wurde sehr verschieden aufgenommen. Glenarvan dachte dabei an die Nachrichten, welche ihm diese Eingeborenen über die Schiffbrüchigen von der »Britannia« mittheilen könnten. Thalcave war seinerseits weniger erfreut, auf seinem Wege nomadisirende Prairie-Indianer zu finden; er hielt sie für Räuber und Diebe, und suchte sie möglichst zu vermeiden. Nach seinen Anordnungen zog sich die kleine Gesellschaft dicht zusammen und setzte die Waffen in Bereitschaft. Man mußte eben auf jeden Fall gerüstet sein.
    Bald kam ihnen die Indianertruppe zu Gesicht. Sie bestand nur aus etwa zehn Eingeborenen, was den Patagonier wieder beruhigte. Die Indianer kamen bis auf hundert Schritte nahe. Man konnte sie leicht unterscheiden. Sie gehörten jener Pamparace an, welche General Rosas im Jahre 1833 zu Paaren trieb; ihre hohe und gewölbte Stirn, ihr mächtiger Wuchs und ihre Olivenfarbe machten sie zu schönen Typen des Indianerstammes. Sie waren mit den Fellen von Guanacos oder Stinkthieren bekleidet und führten eine zwanzig Fuß lange Lanze, Messer, Schleudern, Bolas und Lassos bei sich. Ihre Geschicklichkeit in der Behandlung der Pferde verrieth die geübten Reiter.
    Auf hundert Schritt Entfernung hielten sie an und schienen schreiend und gesticulirend zu berathen. Glenarvan bewegte sich auf sie zu. Kaum war er aber sechs Schritte vorwärts, als sie auf einmal

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