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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Kolibris wetteifern. Diese hübschen Vöglein flatterten munter, ohne die Spechte zu beachten, die am Uferrand in militärischer Haltung mit Epauletten und rothem Brustschild paradirten. An Dorngebüschen schaukelte das schwankende Nest der »Annubis«, und am Ufer der Lagunen spazierten, regelmäßig geschaart, prachtvolle Flamingos, und schwangen im Winde ihre feuerfarbigen Fittiche. Ihre Nester, gleich abgestumpften Kegeln, sah man zu Tausenden beisammen, als wie eine kleine Stadt. Die Flamingos ließen sich durch die Nähe der Reisenden nicht im Mindesten stören.
    Dies benutzte Paganel nebst dem Major, sie näher zu betrachten und eine Weile darüber sich zu unterhalten. Inzwischen eilte Glenarvan voll Ungeduld mit Thalcave voran; aber er konnte sich mit ihm nicht verständigen, und rief seinen gewöhnlichen Dolmetscher Paganel herbei.
     

    Paganel zeigt auf eine Luftspiegelung. (S. 181.)
     
    Derselbe unterhielt sich einige Minuten mit dem Patagonier, dann sprach er zu Glenarvan:
    »Thalcave wundert sich über eine wirklich sonderbare Thatsache.
    – Die ist?
    – Daß wir auf keine Indianer oder Spuren derselben in diesen Ebenen stoßen, durch welche sonst regelmäßig ihre Banden streifen, sei es daß sie aus den Viehständen gestohlenes Vieh vor sich hertreiben, oder zum Vertrieb ihre Teppiche und Lederflechtereien bis zu den Anden fortziehen.
    – Und womit erklärt Thalcave dieses Ausbleiben derselben?
    – Er weiß es nicht zu erklären, er staunte nur, nichts weiter.
    – Aber was für Indianer hoffte er in dieser Pampagegend zu treffen?
    – Eben die, welche Fremde als Gefangene bei sich hatten, jene Eingeborenen unter den Kaziken Calsneura, Catriel oder Yanchetruz.
    – Was sind das für Männer?
    – Räuberhäuptlinge, welche vor dreißig Jahren, ehe sie über die Sierras hinausgetrieben wurden, Alles vermochten. Seitdem sind sie unterworfen, so weit bei einem Indianer von Unterwerfung die Rede sein kann, und sie durchstreifen plündernd ebensowohl die Pampasebene als die Provinz Buenos-Ayres. Ich theile daher Thalcave’s Erstaunen, daß man eben keine Spuren von ihnen in einem Lande trifft, wo sie gewöhnlich ihr Räuberhandwerk treiben.
    – Dann aber, fragte Glenarvan, wozu sollen wir uns entschließen?«
    Paganel besprach sich einige Minuten mit Thalcave, dann sagte er:
    »Sein Rath, der mir sehr verständig scheint, geht dahin, daß wir unseren Weg ostwärts bis zum Fort Indépendance fortsetzen müssen, und dort, sofern wir noch keine Auskunft über den Kapitän Grant haben, werden wir wenigstens erfahren, was aus den Indianern der argentinischen Ebene geworden ist.
    – Ist dies Fort weit entfernt? fragte Glenarvan.
    – Nein, es liegt auf der Sierra Tandil, sechzig Meilen weit.
    – Und wann können wir dort ankommen?
    – Uebermorgen Abend.«
    Glenarvan war über diesen Umstand sehr bestürzt. Daß man in den Pampas keine Indianer traf, hatte man sich durchaus nicht versehen. Sie mußten sich daher aus einem ganz besonderen Grunde fern halten. Aber es war besonders wichtig, wenn sich Harry Grant bei einem dieser Stämme befand, zu wissen, ob er nach dem Norden oder Süden geschleppt worden sei?
    Diese Ungewißheit mußte Glenarvan beunruhigen. Man mußte um jeden Preis die Spur des Kapitäns weiter verfolgen. Schließlich schien es am besten, Thalcave’s Rath zu folgen, um das Dorf Tandil zu erreichen, wo man wenigstens Jemand finden würde, mit dem man sprechen konnte.
    Gegen vier Uhr Abends wurde am Horizont eine Hügelreihe signalisirt, die in einem so flachen Lande als Gebirge gelten konnte. Es war die Sierra Tandil, an deren Fuß die Reisenden in der folgenden Nacht rasteten.
    Am folgenden Tage gelangte man zu dieser Sierra auf die leichteste Weise. Man folgte sandreichen Erhebungen eines sanft abfallenden Bodens. Für Leute, welche über die Andenkette gesetzt waren, konnte eine solche Sierra nicht schwierig sein, und die Pferde mäßigten kaum ihren raschen Trott. Zur Mittagszeit kam man an dem verlassenen Fort Tapalquem vorüber, dem ersten Ring der Kette von Befestigungen, die man am Südrande gegen die räuberischen Eingeborenen gezogen hatte. Doch am Nachmittag zeigten sich drei wohl berittene und gut bewaffnete Streifreiter, und beobachteten eine Weile die kleine Truppe; aber man konnte ihnen nicht nahe kommen, sie entflohen unglaublich rasch. Glenarvan war entrüstet.
    »Gauchos, sagte der Patagonier, indem er den Eingeborenen die Benennung gab, welche einen Disput zwischen

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