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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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dem Major und Paganel veranlaßt hatte.
    – Ei! Gauchos, erwiderte Mac Nabbs. Nun Paganel, heut weht kein Nordwind. Was halten Sie von diesen Geschöpfen?
    – Ich halte dafür, sie sehen wie rechte Banditen aus, entgegnete Paganel.
    – Und um solche zu sein, mein lieber Gelehrter?
    – Ist nur ein Schritt, lieber Major!«
    Dies Geständniß Paganel’s wurde mit allgemeinem Lachen aufgenommen, was ihn übrigens nicht außer Fassung brachte, und er machte sogar in Hinsicht der Indianer eine merkwürdige Bemerkung.
    »Ich habe irgendwo gelesen, sagte er, bei den Arabern habe der Mund einen auffallenden Ausdruck von Wildheit, während in den Augen sich die Menschlichkeit ausgedrückt finde. Nur beim amerikanischen Wilden ist’s gerade umgekehrt. Diese Leute haben ein ganz besonders boshaftes Auge.«
    Hiermit war die Indianerrace gut gekennzeichnet.
    Inzwischen marschirte man, Thalcave’s Anweisung zufolge, in geschlossenem Haufen; so menschenleer das Land war, mußte man sich vor Ueberfällen hüten; aber die Vorsicht war hier überflüssig, und man rastete diesen Abend in einer verlassenen großen »Tolderia«, wo der Kazike Catriel gewöhnlich seine Rotten versammelte. Bei Besichtigung des Terrains gewann der Patagonier aus der Abwesenheit neuerer Spuren die Ueberzeugung, daß die Tolderia seit langer Zeit unbewohnt war.
    Am folgenden Tage begaben sich Glenarvan und seine Genossen wieder auf die Ebene; man gewahrte die ersten Viehzuchtgehöfe – Estancias – welche nächst der Sierra Tandil sich befinden; aber Thalcave beschloß, sich hier nicht aufzuhalten, vielmehr geradeswegs auf das Fort Indépendance loszugehen, wo er sich insbesondere über die außerordentliche Lage dieses verlassenen Landes erkundigen wollte.
    Nun kamen wieder Bäume zum Vorschein, welche von den Cordilleren an so selten gewesen; sie waren meist seit Ankunft der Europäer auf amerikanischem Boden gepflanzt. Es waren da Pfirsiche, Pappeln, Weiden, Akazien, die ohne Pflege rasch und wohl gediehen. Sie umgeben meistens die »Corrales«, geräumige, mit Pfählen umzäunte Viehstätten. Hier wurden Tausende von Ochsen, Hammeln, Kühen aufgezogen und gemästet, denen der Stempel des Besitzers aufgebrannt wurde, während große Hunde, wachsam und zahlreich, die Umgebung hüteten. Der etwas salzhaltige Boden am Fuß der Gebirge ist für die Heerden sehr geeignet und trägt treffliche Futterkräuter. Man wählt ihn daher vorzugsweise zu Anlegung von Viehhöfen, an deren Spitze ein Verwalter mit einem Aufseher steht, unter diesen aber vier Péons auf tausend Stück Vieh.
    Diese Leute leben wie die Erzväter der Bibel; ihre Heerden sind sehr zahlreich, vielleicht noch zahlreicher, als die auf den Ebenen Mesopotamiens; aber hier ist der Heerdebesitzer ohne Familie, und die großen Viehzüchter (
Estanceros
) der Pampas, nur große Ochsenhändler, haben nichts mit den Patriarchen gemein.
    Paganel verdeutschte dies seinen Gefährten recht gut, und ließ sich dabei auf eine höchst interessante Erörterung über die Verschiedenheit der Racen ein, der selbst der Major Interesse abgewann.
    Paganel hatte auch Gelegenheit, auf eine merkwürdige Erscheinung der Luftspiegelung aufmerksam zu machen, welche in diesen horizontalen Ebenen häufig vorkommt. Die Viehzuchtanstalten hatten in der Entfernung das Aussehen großer Inseln; die Pappeln und Weidenbäume schienen in einem klaren Wasser sich abzuspiegeln, ein Bild, das vor den Schritten der Reisenden zurückgewichen schien; aber die Täuschung war so vollständig, daß das Auge sich nicht daran gewöhnen konnte.
    Im Verlauf dieses Tages, 6. November, stieß man auf mehrere Estancias, und auch einige Saladores, Pökelanstalten, wo das Vieh, nachdem es auf den nährenden Weidestätten fett geworden, dem Beile des Metzgers anheim fällt. Diese widerlichen Arbeiten beginnen im Anfang des Frühlings. Der »Salador« holt die Stücke Vieh aus dem Corral, wo er sie gewandt mit dem Lazo fängt und in den Saladero führt, in dem die Ochsen, Kühe, Hammel hundertweis abgeschlachtet und ausgeweidet werden. Ost aber lassen sich die Stiere nicht ohne Widerstand fangen. Dann wird der Schinder zum Torcador, und er verrichtet dieses gefährliche Geschäft mit einer Geschicklichkeit und Wildheit ohne Gleichen. Diese Schlächterei bietet einen abscheulichen Anblick dar. Nichts ist so ekelhaft widerlich, als die Umgebung eines Saladoro. Aus den gräßlichen Umzäunungen dringen, neben einer von stinkenden Ausströmungen

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