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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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durchdrungenen Atmosphäre, wildes Geschrei der Schinder, Hundegebell, stöhnendes Geheul verendender Thiere, während die riesigen Geier der argentinischen Ebene –
Urubus
und
Auras
– aus einem Umkreis von zwanzig Meilen zu Tausenden herbei kommen, den Schlächtern die noch zuckenden Reste ihrer Opfer streitig zu machen.
    Damals aber waren die Saladoros stille, ohne Bewohner. Es war noch nicht die Zeit gekommen. Thalcave drängte vorwärts, er wollte noch diesen Abend das Fort Indépendance erreichen; die gespornten Pferde, dem Beispiel Thaouka’s folgend, flogen durch den riesigen Graswuchs des Bodens. Man stieß auf einige Meierhöfe, welche durch Zäune mit Schießscharten und tiefe Gräben zur Abwehr in Stand gesetzt waren; das Hauptgebäude war mit einer Terrasse versehen, von welcher herab die militärisch organisirten Bewohner mit ihren Flinten den Vortheil über die Räuber der Ebene haben. Glenarvan hätte vielleicht hier die gesuchte Auskunft erhalten können, aber am sichersten war es, bis zum Dorfe Tandil zu dringen. Unverzüglich setzte man durch eine Fuhrt über den Rio Los Huasos und einige Meilen weiter über den Chapaleosu. Bald stampften die Rosse den grasigen Abhang der ersten Abdachung der Sierra Tandil, und nach einer Stunde zeigte sich das Dorf in der Tiefe eines engen Passes, welcher von den Mauern des Forts Indépendance beherrscht war.
Fußnoten
    1 Das Verhältniß der englisch-nordamerikanischen Meile zur deutschen geographischen und der Seemeile aller Nationen ist folgendes:
     
    Seemeile. Deutsche. Englisch—
    Amerikanische.
    0,868 0,217 1
    4,000 1 4,611.
Einundzwanzigstes Capitel.
Das Fort Indépendance.
    Die Sierra Tandil liegt tausend Fuß über dem Meeresspiegel; sie ist eine Kette von Urgebirgen, d.h. sie bestand vor jeder organischen Schöpfung oder Umgestaltung, und zwar in dem Sinne, daß ihr Gebilde und ihre Bestandtheile durch die Wirkung innerlicher Wärme nach und nach eine Veränderung erlitten haben. Sie besteht aus einer halbkreisförmigen Reihe von Hügeln aus Gneis mit Gras bewachsen. Der District Tandil, dem sie ihren Namen verliehen, umfaßt den ganzen südlichen Theil der Provinz Buenos-Ayres, und wird von einer Wasserscheide begrenzt, welche die auf ihrer Abdachung entspringenden Gewässer nach Norden sendet.
    Dieser District enthält ungefähr viertausend Einwohner, und sein Hauptort ist das Dorf Tandil, das am Fuß des nördlichen Rückens der Sierra unter dem Schutze des Fort Indépendance liegt; seine Lage am bedeutenden Chapaleosubach ist eine sehr günstige. Eine sonderbare Eigenthümkeit, die auch Paganel nicht unbekannt sein konnte, besteht darin, daß dieses Dorf nur von französischen Basken und italienischen Colonisten bewohnt ist. Frankreich hat in der That die ersten fremden Niederlassungen in diesem unteren Theile La Platas gegründet. Im Jahre 1828 wurde das Fort Indépendance zum Schutz des Landes gegen die wiederholten Einfälle der Indianer von dem Franzosen Parchappe errichtet. Ein bedeutender Gelehrter, Namens Alcide d’Orbigny, unterstützte ihn bei diesem Unternehmen; dieser hat alle südlichen Staaten Südamerikas am besten gekannt, erforscht und beschrieben.
    Das Dorf Tandil ist ein ziemlich wichtiger Punkt. Vermittelst seiner »Galeras«, großer, zum Befahren der Ebene sehr geeigneter Ochsenkarren, gelangt man in zwölf Tagen nach Buenos-Ayres; daraus ist ein bedeutender Verkehr mit jener Gegend entstanden: das Dorf schickt in die Stadt die Erzeugnisse seiner Viehstände und Pökelanstalten, sowie die höchst merkwürdigen Producte der indianischen Industrie, wie die Baumwollstoffe, die Wollgewebe, die so gesuchten Lederflechtarbeiten u.s.w. Daher besitzt auch Tandil, außer einer gewissen Anzahl ziemlich wohnlicher Häuser, Schulen und Kirchen zum Unterricht für diese und jene Welt. Nachdem Paganel diese Einzelheiten angeführt hatte, fügte er noch hinzu, es könne im Dorfe Tandil nicht an Auskunft fehlen; das Fort ist außerdem stets von einer Abtheilung Nationaltruppen besetzt. Glenarvan ließ also die Pferde in den Stall einer ziemlich gut aussehenden »Fonda« einstellen; darauf wandten sich Paganel, der Major, Robert und er unter Führung Thalcave’s dem Fort Indépendance zu.
    Nachdem sie einige Minuten lang auf dem Rücken der Sierra hinangestiegen, kamen sie vor einem, von einer argentinischen Schildwache ziemlich nachlässig bewachten Schlupfthore an und fanden ohne Schwierigkeit Einlaß; ein Beweis großer Sorglosigkeit

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