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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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oder vollkommener Sicherheit.
    Einige Soldaten exercirten auf dem Glacis der Feste; der älteste dieser Soldaten mochte zwanzig, der jüngste kaum sieben Jahre alt sein. Um es gerade heraus zu sagen, es war ein Dutzend Knaben und junger Burschen, die sich in eigenthümlicher Weise in der Waffenkunst einübten. Ihre Uniform bestand aus einem gestreiften Hemde, das an der Hüfte von einem Ledergürtel zusammengehalten wurde; von Hosen, Jacke oder schottischem Kilt war keine Rede. Die Milde der Temperatur berechtigte übrigens zu diesem leichten Costüme. Paganel bekam gleich von vorn herein eine gute Meinung von einer Regierung, die nichts an Tressen und Zierathen vergeudet. Jedes dieser Bürschchen trug ein Percussionsgewehr und einen Säbel, dieser für die Kleinen zu groß, und jenes zu schwer. Alle hatten sonnverbrannte Gesichter und eine gewisse Familienähnlichkeit. Der sie unterweisende Corporal glich ihnen ebenfalls; es waren in der That zwölf Brüder, welche vom Dreizehnten einexercirt wurden.
     

    Die Besatzung des Fort Indépendance. (S. 183.)
     
    Paganel war darüber nicht erstaunt; er kannte die argentinische Statistik und wußte, daß in diesem Lande auf jeden Haushalt im Durchschnitt neun Kinder kamen; ganz besonders aber fiel ihm auf, daß er diese kleinen Soldaten auf französische Art exerciren und mit vollkommener Genauigkeit die Hauptbewegungen des Ladens in zwölf Tempis ausführen sah. Oefters waren sogar die Commandoworte des Corporals in der Muttersprache des gelehrten Geographen zu hören.
    »Das ist doch sonderbar«, sagte er.
     

    »Willkommen! Willkommen!« rief der Sergeant. (S. 186.)
     
    Glenarvan war jedoch nicht in das Fort Indépendance gekommen, um Knaben exerciren zu sehen, noch weniger aber um ihre Nationalität oder Abstammung sich zu kümmern. Er ließ also Paganel nicht Zeit, sich noch mehr zu wundern, und bat ihn, nach dem Chef der Garnison zu fragen. Dieser that es, und einer der argentinischen Soldaten begab sich in ein kleines Haus, das als Kaserne diente.
    Einige Augenblicke nachher erschien der Commandant selbst. Es war ein Mann von fünfzig Jahren, kräftig gebaut, von militärischem Aussehen, mit struppigem Schnurrbart, vorstehenden Backenknochen, graugesprenkelten Haaren und gebieterischem Blick, so viel man wenigstens durch die Rauchwolken, die seiner kurzen Pfeife entstiegen, erkennen konnte. Sein Gang erinnerte Paganel stark an die eigenthümliche Haltung der alten Unterofficiere seines Landes.
    Thalcave stellte dem Commandanten Lord Glenarvan und seine Gefährten vor. Während er sprach, hörte der Commandant nicht auf, Paganel mit ziemlich störender Beharrlichkeit anzuschauen. Der Gelehrte wußte nicht, wohinaus der Officier wolle, und stand im Begriff ihn zu fragen, als der andere ohne Umstände seine Hand faßte und mit freudiger Stimme in der Sprache des Geographen sagte:
    »Ein Franzose?
    – Ja, ein Franzose! antwortete Paganel.
    – Ei, ich bin entzückt! Willkommen, willkommen! Bin auch Franzose, wiederholte der Commandant, indem er den Arm des Gelehrten mit beunruhigender Heftigkeit schüttelte.
    – Einer Ihrer Freunde? fragte der Major Paganel.
    – Versteht sich! antwortete dieser mit einem gewissen Stolz; man hat Freunde in allen fünf Welttheilen.«
    Und nachdem er, nicht ohne Mühe, seine Hand aus dem lebendigen Schraubstock herausgezogen hatte, begann er eine ordentliche Unterhaltung mit dem kraftvollen Commandanten. Glenarvan hätte gern in Bezug auf seine Angelegenheiten ein Wort angebracht, doch erzählte der alte Militär seine Geschichte, und war nicht in der Laune, in der Mitte anzuhalten. Man ersah, daß dieser brave Mann sein Vaterland seit langer Zeit verlassen hatte; seine Muttersprache war ihm nicht mehr vertraut, er hatte, wenn auch nicht die Worte, aber doch die Wortstellung verlernt. Er sprach ungefähr wie ein Neger der französischen Colonien.
    Bald erfuhren auch seine Besucher, daß der Commandant des Fort Indépendance ein französischer Sergeant, ein vormaliger Genosse Parchappe’s sei.
    Seit der Gründung des Forts, 1828, hatte er es nicht mehr verlassen, und befehligte es gegenwärtig mit der Bewilligung der argentinischen Regierung. Er war ein Fünfziger, Baske von Geburt, und hieß Manuel Ipharaguerre. Man sieht, wenn er nicht Spanier war, so war er noch gut dabei weggekommen. Ein Jahr nach seiner Ankunft im Lande ließ sich der Sergeant Manuel naturalisiren, nahm Dienste in der argentinischen Armee und heiratete eine

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