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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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gebogenen Schnabel erkennen, die klauenbesetzten, vierkralligen Füße, sogar die feine horizontale Maserung, die den Bauch des Tieres bedeckte. Und etwas an diesem Wappen ließ Cristino im Sattel ihres Reittiers erstarren. Der Vogel sah sie an. Hell waren die kleinen, klugen Augen auf sie gerichtet. Da bist du ja, Cristino, sagten sie. Sie blinzelte. Erst einmal, dann zweimal. Blödsinn. Die Hitze, das Flimmern der Luft spielten ihr einen Streich. Das war nur ein steinernes Wappen, auf dem ein ebenso steinerner Vogel abgebildet war. Herr Jesus, was man sich so einbildet! Vermutlich habe ich einfach einen Sonnenstich!
    Tritt ein, Cristino, sagten die Augen.
    Und Cristino stieg aus dem Sattel, band ihr Pferd an, und trat ein.Sie war nicht überrascht, das Gittertor offen zu finden. Mit einem Quietschen, das klang wie das Zwitschern eines Vögelchens, öffnete es sich nach innen und gab den Weg in den Garten frei. Dunkle Bäume neigten ihre Äste und überschatteten den Pfad. Einladend funkelten tausend kleine Sonnenflecken auf seinem grünen Grund. Unter Cristinos Füßen knickten Disteln und Wicken, während sie langsam vorwärts schritt, unter gutmütigen alten Eichen und schlummernden Pinien hindurch, vorbei an gedrungenen Oleandern und hochgewachsenen Platanen. Da war ein Murmeln ringsumher, ein Raunen in den alten Bäumen, willkommen, Cristino, willkommen. Sacht dehnte sich der Pfad zu ihren Füßen, sie bemerkte nicht das Unkraut, auf dem sie schritt, es war, als liefe sie über einen kühlen bekiesten Weg, mit blühenden Büschen und gepflegten Sträuchern zu beiden Seiten. Ein kleiner Pfad öffnete sich nach rechts, und ohne nachzudenken folgte Cristino ihm, trat hinaus in eine Lichtung aus funkelndem Blau und Grün, ein kleiner, schilfbewachsener Teich, in dem sich der klare Himmel und die Blätter der Bäume spiegelten. Eine Figur stand in der Mitte des 273
    Teichs auf einem Podest, eine Nymphe im römischen Stil, die ein Füllhorn in der Hand hielt. Anmutig hatte sie einen Fuß angewinkelt, einen Ellenbogen gehoben, den Kopf geneigt in Richtung des Horns, dessen Öffnung nach unten zeigte, und wenn man einen Moment lang die Augen schloss, sah man klares Wasser aus diesem Horn fließen und sich in den Teich ergießen, wo es funkelnde Ringe in die spiegelnde Oberfläche grub.
    Das Funkeln rief die Geister herbei, Geister wie hüpfende, spielende Kinder, ein Junge, blond wie Weizen, ein Mädchen, dunkelhaarig wie Ebenholz, elfengleich am Rand des Teiches tanzend, und das dritte, das ihnen mit tapsigen Schritten hinterher lief, stolpernd über den Saum seines Kleides, helle Locken, auf denen das Sonnenlicht tanzte. Zur Schaukel, rief der Junge, zur Schaukel riefen auch die Mädchen, und als Cristino blinzelte, war niemand da, der Teich einsam, der Garten still wie zuvor.
    Cristino lief weiter, nach rechts, dichtes Buschwerk verwehrte die Sicht nach beiden Seiten, und dann öffnete sich das Gebüsch, und sie hatte ihr Ziel erreicht. Eine Lichtung, still im Schatten der behütenden alten Bäume, dazwischen leuchtend grün das Gras im Schein der friedlichen Sonne, und das Zirpen unzähliger Grillen als einziges Geräusch. Der größte der Bäume war es, der seine Äste über die Lichtung neigte, wie eine Mutter schützend ihre Arme über ihr Kind breitet.
    An seinem kräftigsten Ast hing eine lange Kinderschaukel. Diesmal blinzelte Cristino gleich dreimal. Sie war sich inzwischen sicher, sich in einem Traum zu befinden, in einem Traum vom Garten Eden, denn was sonst konnte dieser Ort sein, der so friedlich, so wunderschön und gleichzeitig so traurig war, wie sonst konnte sie es sich erklären, dass nichts, was sie in diesem Garten wahrnahm, real zu sein schien, der Teich nicht und die Marmorstatue nicht und am allerwenigsten die Schaukel. Die Schaukel, von der sie gewusst hatte, dass sie sie hinter jenem Dickicht finden würde.
    Die Schaukel, der die unsichtbaren Kinder entgegengerannt waren.
    Allein das bewies, dass sie träumte.
    274
    Langsam trat Cristino auf die Schaukel zu. Das Sitzbrett war von einem tiefen Riss durchzogen, ein grüner moosiger Schimmer bedeckte die Oberfläche. Die Halteseile waren steif und grau von Regen und Sonne. Still, völlig unbewegt hing die Schaukel in der Mittagshitze, als warte sie dort seit hundert Jahren wie die schlafende Prinzessin auf den Ritter, der sie aus ihrer Verzauberung erlöste.
    Als warte sie seit hundert Jahren auf Cristino.
    Cristino ging um die Schaukel herum,

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