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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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eine Weggabelung gewesen? «Wartet auf mich!»
    Wieder trieb sie ihr Pferd an. Dorrende Blätter knisterten leblos unter den Hufen, mit hohlem Rascheln antwortete der Wald. Die Hitze lag schwer und drückend über dem Weg. Da war sie wieder, die Coumbo, graue, schreckliche Gestalten, die aus der Düsternis des Waldes stürzten, menschliche Körper, doch die Gesichter von Wölfen.
    Ganz ruhig, Cristino, ganz ruhig, da ist niemand, nur die Schatten zwischen den Bäumen und das Rascheln, ein paar Tiere, ein Reh vielleicht, oder, ja, der Wind… Wind, was für ein Wind, es ist völlig windstill, oh mein Gott…
    … keine Wölfe, große, schwarze Ungeheuer mit Augen wie prasselnde Feuer und Rachen rot wie Blut und Klauen wie geschwungene Säbel…
    Das Pferd raste durch das Unterholz, wimmernd hing Cristino im Sattel, das Gesicht in die Mähne vergraben, wartend auf die Pranke, die sie aus dem Sattel riss, die Zähne, die sich in ihr Genick schlugen, Mama, schluchzte sie, Mama, hilf mir doch. Heilige Maria Mutter Gottes, warum hilfst du mir nicht, hilf mit doch, bitte!
    Das Pferd hielt an. Nicht dass sie an den Zügeln gezogen hatte, es war wohl einfach erschöpft oder fand die Rennerei schlichtweg sinnlos. Cristino hob den Kopf. Die Bäume waren auseinandergewichen. Unter ihr befand sich eine unebene und von Unkraut durchsetzte, aber doch deutlich erkennbare Straße. Sie hätte heulen können vor Erleichterung. Maria hatte sie gerettet, in der Tat. Ein Glück, dass sie das Medaillon trug.
    Cristino hatte keine Ahnung, wo sie sich befand, und lenkte ihr Pferd schließlich auf gut Glück nach links. Irgendwohin würde die Straße ja führen, wenn nicht zurück zu den Mancoun, so doch zu einer anderen menschlichen Behausung. Alles war besser, als alleine in diesem schrecklichen Wald zu sein. Sie dachte an das Märchen von dem Gehenkten, der nachts durch den Wald strich und 271
    Jungfrauen erwürgte. Oder das von dem alten Weiblein, das unter einer alten Eiche auf einem Stein sitzt und einen Raben auf der Schulter hat, und wenn der dreimal kräht, wird man zu Stein. Sie umklammerte das Medaillon mit einer Hand und ritt weiter. Es war noch immer sehr heiß, extrem heiß für den Mai. Die Straße stieg leicht an, wand sich an einem kleinen Bachlauf entlang. Stellenweise war sie völlig von Gras und Unkraut überwuchert. Als sei hier lange keiner mehr geritten. Dann machte die Straße eine Biegung, und sie stand vor einem Tor. Es war ein gemauerter Rundbogen, der in eine etwa zwei Schritt hohe Mauer eingelassen war, fast vollständig verschwunden unter einer dicken Schicht aus wildem Efeu. Ein rostiges Gittertor war in jenen Bogen eingelassen und gab ihm im Verbund mit der Mauer ein wehrhaftes Aussehen. Dennoch, das erkannte man auf den ersten Blick, war dies nicht die Umfriedung einer alten Burganlage, wie sie die Rückständigeren unter den Junkern noch heute bewohnten, dazu war die Mauer zu dünn, die Steine zu akkurat behauen, der Bogen zu zierlich, die Gitterstäbe zu verschnörkelt. Das war keine Mauer, die feindliche Ritterheere abhalten sollte. Höchstens neugierige Nachbarn und gierige Langfinger. Die Mauvent hatten so eine Mauer, und die Bonieus, und wenn Frederis Vater nicht das Geld ausgegangen wäre, hätte er auch so eine hochgezogen. Nur dass die Mauer der Bonieus und der Mauvent nicht von einer ellendicken Schicht aus Unkraut bedeckt war. Nachdenklich betrachtete Cristino das eigentümliche Bauwerk, die moosüberwachsenen, schmutzigen Steine, die Rostflecken auf dem Boden unter dem Gittertor, den Garten, der durch die Eisenstäbe zu erahnen war. Ein Weg, der sich zwischen alten Bäumen hindurchschlängelte, überwuchert von Winden und von Flechtgras, die Sträucher in die Höhe geschossen und verwildert, abgebrochene Äste wie Ruinen im kniehohen Gras. Verlassen, schoss ihr eine plötzliche Erkenntnis durch den Kopf, dieser Ort ist verlassen. Wer weiß, vielleicht sind die Besitzer gestorben, ohne Erben zu hinterlassen, oder sie haben sich verschuldet und der Besitz wurde gepfändet, aber kein Käufer fand sich, oder…
    Und das war der Moment, in dem sie das Wappen bemerkte. 272
    Es war in den Rundbogen eingemeißelt, an dessen Scheitelpunkt, ein schildförmiges Wappen, das einen Raubvogel mit ausgebreiteten Schwingen zeigte. Selbst jetzt, unter der feinen Moosschicht, die es bedeckte, war zu erkennen, wie überaus sorgfältig und detailliert diese Arbeit angefertigt worden war. Man konnte den kräftigen,

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