Die Kinder des Ketzers
Gegend unsicher machten – Maynier hatte ein paar Tagediebe abgestellt, die jetzt durchs Land zogen und alles, was ihnen vor die Nase kam, als Ketzereigentum konfiszierten, zu Gunsten der Bande vom Parlament. Mayniers Neffen, der Faucoun und der Jansoun, haben sich am Arrêt de Mérindol dumm und dämlich verdient, und genauso die anderen aus Mayniers Dunstkreis, und wir übrigen Edelleute standen quasi vor dem Ruin!»
«Ob ihr’s glaubt oder nicht, aber wir haben es nicht geschafft, auch nur ein Feld zu pflügen – immer wenn sich einer von uns mit einem Ochsen auf den Acker gewagt hat, stand einer von Mayniers Plündertrupp vor ihm und hat den Ochsen konfisziert! Es war zum Wahnsinnigwerden!», ereiferte sich der La Costo.
«Und alles nur wegen Maynier und seiner gekränkten Eitelkeit!», ergänzte der Bonieus.
«Ein bisschen tut Ihr ihm Unrecht», mischte sich jetzt Degrelho ein. Fabiou wandte sich ihm zu und nahm sich erstmals die Zeit, ihn genauer zu betrachten. Ein ruhiges, intelligentes Gesicht, tiefdunkle Augen, die eine unglaubliche Sicherheit auszustrahlen schienen. Ab und zu warf er einen besorgten Blick nach links, wo seine Frau müde auf einer Bank saß, an ihrer Seite – Fabiou meinte seinen Augen nicht zu trauen – niemand anders als Alessia, die ihr fürsorglich die Hand tätschelte, was der Baroun d’Astain mit 291
einem gerührten Lächeln registrierte. Kaum vorstellbar, dass dieser Mann einmal an der Spitze einer Schar von Edelleuten gegen eine Räuberbande ins Feld gezogen war.
«Unrecht? Dem kann man gar nicht genug Unrecht tun, dem geilen alten Bock!» fluchte Buous.
«Ihr redet nur von gekränkter Eitelkeit, aber er hat einfach auch an seine Sendung geglaubt! Er war überzeugt davon, in den Waldensern den Antichristen vor sich zu haben, den es zu vernichten galt», meinte Archimède Degrelho.
«Wenn das stimmt, ist er ein Irrer, und das ist noch schlimmer als ein geiler alter Bock!», schimpfte Buous. «Harmlose Frauen und Kinder niedermetzeln und dann vom Antichristen faseln, das ist ja wohl verrückt!»
«Ich denke, er konnte einfach die Sache mit seinem Sohn nicht verwinden», meinte Bonieus. «Deswegen hasst er alle Ketzer wie die Pest! Das mit der Tour d’Aigue, das war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.»
«Wieso, was war mit seinem Sohn?», fragte Trévigny.
«Er ist Protestant geworden, hat sich ein protestantisches Mädchen genommen und ist außer Landes gegangen, bevor Papi ihm den Hals umdrehen konnte», meinte Bonieus mit einem schadenfrohen Grinsen. «Wahrscheinlich ist er jetzt in Deutschland oder Genf und setzt eine Meute neuer Protestanten in die Welt. Mayniers einziger Sohn! Jetzt hockt er mit ein paar Töchtern da und hat keinen legitimen Erben, wie schade!»
«Wie dem auch sei», meinte Buous, «die Cental hat das Ganze nicht auf sich sitzen lassen und hat die Sache vor den Königlichen Gerichtshof gebracht.»
«Die Cental?», fragte Trévigny verständnislos.
«Na, die Tour d’Aigue», sagte der Bonieus. «Die von Tour d’Aigue sind auch Grafen von Cental im Piemont. Die hat’s natürlich am schlimmsten erwischt, in ihren Ländereien stand kaum noch ein Stein auf dem anderen. Also sind sie wie gesagt vor Gericht gegangen. Der Baroun de la Tour d’Aigue war zu dieser Zeit wie gesagt schon tot, und da sein Sohn vor ihm gestorben war, war Nicolas damals schon der Erbe von Tour d’Aigue.»
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«Nicolas?», fragte Trévigny, der langsam extrem verwirrt wirkte.
«Der Enkel der Cental, Jan-Loís-Nicolas de Bouliers», erklärte der Buous geduldig. «Er war damals noch minderjährig, also hat die Cental die Klage geführt. Maynier und seine Sippschaft haben auf das übelste versucht, sie beim König zu diskreditieren, haben behauptet, der alte Tour d’Aigue, ihr Verblichener, habe die Waldenser absichtlich auf seinen Grund und Boden geholt, um sich zu bereichern, und dass er sie zur Rebellion gegen den König ermutigt hätte und lauter so’n Schwachsinn, nur weil das offenherzige Leute waren, die Tour d’Aigues, und die Waldenser nach ihren Sitten haben leben lassen, solange sie still und bescheiden ihrer Arbeit nachgingen. Na ja, ganz blöd war Freund François zum Glück ja doch nicht, und als er kurz darauf den Löffel abgab, hat sich die Königin der Sache angenommen und eine Untersuchung in die Wege geleitet, die schon ans Licht brachte, wer hier ein rechtschaffener Mensch war und wer nicht.»
«Wir dachten schon, die Cental
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