Die Kinder des Ketzers
Jorgi… Jorgi müsst ihr fragen, Jungs, wenn ihr wissen wollt, was damals abgegangen ist!», erklärte der Buous. «Bei ihm in La Costo, da haben sie gehaust wie die Vandalen, aber ehrlich!
Das darf man schier nicht laut sagen, was da passiert ist! Also, mich hat’s geschüttelt, als ich davon gehört habe.»
«Baroun de La Costo, zu Euren Diensten», stellte sich der Neuankömmling Trévigny vor, dessen verständnislosen Blick er richtig interpretierte.
«Angenehm, Trévigny… ist das wahr? Die haben Priester getötet?»
«Zumindest unseren Priester haben sie getötet – niedergestochen auf der Schwelle seiner Kirche, weil er den Menschen im Allerheiligsten Zuflucht gewährt hat», erklärte Jorgi de La Costo. Seine Stimme klang ruhig, aber seine Augenlider zuckten bei diesen Worten.
«Oh ja, erinnere mich dran, der junge Bergotz…», seufzte der Buous. «Erinnerst du dich auch, Jaume? Jacque Bergotz, der Priester von La Costo. Eine Schande, wirklich!»
«Ja, und Ihr als der zuständige Baron – brauchten sie denn nicht Eure Erlaubnis, um La Costo überhaupt betreten zu können?», fragte Fabiou unsicher.
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Der La Costo lachte spöttisch auf. «Als ich gehört habe, was in den anderen Orten – Lauri und Cabriero und so weiter – vorgefallen ist, bin ich stehenden Fußes Maynier entgegengeritten und habe ihn gefragt, was er bezüglich La Costo für Pläne habe – Himmel, ja, es gab Waldenser in La Costo, das wusste jeder, auch ich, aber Gott, das waren friedliche Leute, ich hatte nie Probleme mit ihnen gehabt. Und Maynier antwortete mir, er wäre selbstverständlich bereit, auf eine gewaltsame Einnahme von La Costo zu verzichten, wenn der Ort sich freiwillig ergeben und den Richtern bei der Entlarvung und Verhaftung aller Ketzer freie Hand gewährt würde. Nun, es wäre wahrscheinlich eines Lehensherrn würdiger gewesen, dieses Ansinnen entschieden abzulehnen, aber Gott, ich war damals zwanzig und mein Vater seit gerade mal drei Monaten tot, und ich habe gedacht, besser ich opfere die Waldenser, als dass der ganze Ort dran glauben muss, und habe gesagt, gut, er soll seine Leute schicken, die Tore würden offen stehen. Da sagte Maynier, ich habe ihn falsch verstanden, es ginge nicht darum, irgendwelche Tore zu öffnen, sondern sich zu ergeben. Ich fragte ihn, was er damit meine, und er antwortete, da die Bürger von La Costo die Anwesenheit von Ketzern geduldet hätten, würde er eine Schonung der katholischen Bevölkerung nur in Betracht ziehen, wenn wir in alle vier Mauern eine vier Schritt breite Bresche reißen würden. Ich dachte, ich traue meinen Ohren nicht!»
«Ja und? Habt Ihr es getan?», fragte Trévigny neugierig.
«Hättet Ihr das getan? Die eigene Stadtmauer einreißen? Meine Familie hätte mir den Kopf abgerissen und die Stadtväter vermutlich ebenfalls! Ich habe gedacht, so schlimm wird’s schon nicht werden, habe die Tore öffnen lassen, als Mayniers Bande angerückt ist, habe ihnen Wein und Essen ‘rausgeschickt, um sie guter Laune zu machen. Oh, Scheiße! Das waren totale Irre, eine Bande wildgewordener Landsknechte unter Führung eines Halsabschneiders, der zuallererst die zwei Winzer aufgeschlitzt hat, die ich zum Bewirten mitgeschickt habe. Und danach haben sie den Ort geplündert und niedergemacht und vergewaltigt, was ihnen zwischen die Finger kam. Die haben meine Familie bedroht, könnt Ihr Euch das vorstellen, meine Mutter, meine Schwestern! Wir konnten von Glück sagen, dass de la Font vorbeigekommen ist und sie zurückgepfiffen 290
hat, sonst hätte es in La Costo nicht mehr Überlebende als in Cabriero gegeben!»
«Und als das Gemetzel ‘rum war, ging das Sterben erst richtig los», meinte der Bonieus. «Oppède hat allen Bewohnern der Gegend bei strenger Strafe verboten, die Leute aus den betroffenen Orten mit Essen zu versorgen. Die Menschen sind zu Hunderten am Straßenrand verhungert. Dann brachen natürlich Seuchen aus, Ais war ein einziges Flüchtlingslager, in dem Hunger und Krankheiten grassierten, und Oppède setzte in Zusammenarbeit mit dem Großinquisitor der Chambre Ardente noch eins drauf und brachte jeden, der auch nur ein bisschen nach Protestantismus roch, an die Pinie oder auf den Scheiterhaufen oder wenigstens in den Kerker. Der wirtschaftliche Schaden für uns war gigantisch. Im gesamten Luberoun fiel die Ernte aus, weil die Einwohner geflohen waren oder sich nicht auf die Felder trauten aus Angst vor Mayniers Söldnern, die noch immer die
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