Die Kinder des Ketzers
stillschweigend geduldet», meinte der Bonieus. «Gott, als die Tour d’Aigue zum königlichen Gericht ging, da ist ein Aufschrei der Entrüstung durch unser schönes Parlament gegangen, wie sie es wagen könnte, die königliche Gerichtsbarkeit über eine Entscheidung des Parlaments der Provence zu stellen. An die dreitausend Menschen, die mit ihrem Einverständnis abgeschlachtet wurden, haben sie keinen Gedanken mehr verschwendet.»
«Na, irgendwo hatten sie natürlich auch recht», murmelte Degrelho. «Ich meine, rechtlich gesehen war der Prozess natürlich eine Schwächung unserer Selbständigkeit.»
«Wenn die ganze Bande im Parlament nicht so korrupt wäre, hätte kein Mensch die Franzacken einschalten müssen!», ereiferte sich der Buous. «Ist schon wahr, ‘ne Schande ist das, dass wir zu den Parisern rennen müssen, weil unser eigenes Gericht das Recht mit Füßen tritt!»
«Überhaupt, hört mir mit den Gerichten auf», rief der Bonieus.
«Seit in diesem Land nach französischem Gesetz Recht gesprochen wird, sind die Gerichte doch nur noch eine Farce . Recht bekommt, 295
wer eh’ das Sagen hat! Und das Parlament… Jede Familie in der Prouvenço, die was auf sich hält und die Kohle dazu hat, versucht einen ihrer Angehörigen in dieses gottverdammte Parlament zu bringen, weil schließlich jeder weiß, dass das Parlament noch nie einen Verwandten eines ihrer Conseillers verurteilt hat. Das ist doch ein Witz, dieses Parlament!»
«Labarre hat es versucht», sagte in diesem Moment einer, den Fabiou bisher gar nicht beachtet hatte; ein großer Mann mit einem spitzen Gesicht und viel zu großen Tränensäcken, über denen zwei glasige Augen funkelten. Senher Artou, soweit er wusste. Er roch bereits gewaltig nach Wein.
«Versucht? Was versucht?», fragte Sébastien.
«Sie aufzuhalten», murmelte Senher Artou. «Oh ja, Labarre, der hat’s versucht. Der tapfere kleine Labarre.» Er machte ein Gesicht, als wolle er gleich losheulen.
«Findest du nicht, dass du allmählich genug Wein gehabt hast?», fragte Degrelho kopfschüttelnd.
«Lass mich!», fauchte Artou wütend. «Hab’ seinen Vater gut gekannt, wir waren Nachbarn ein Leben lang. Und dann stirbt der arme Junge in Lauri! Es hat seinen armen Vater ins Grab gebracht!»
«Wer war dieser Labarre?», fragte Trévigny in gewohnter Neugierde.
«Der Sohn eines Edlen am südlichen Rand des Großen Luberoun, nicht allzu weit von Lourmarin entfernt», erklärte Bonieus. «Er ist damals mit ein paar anderen nach Merindou, als er von der geplanten Durchsetzung des Arrêt hörte. Die Einwohner haben versucht zu fliehen, doch der Söldnertrupp war bereits im Anmarsch. Und der junge Labarre – na ja, er war ein Hitzkopf, so ein Abenteurer, und er ist den Angreifern nach guter alter Ritterart entgegengeritten und hat ihnen gesagt, sie sollen verschwinden, dieses Dorf stehe unter seinem Schutz oder so ähnlich. Na ja, Mayniers Truppe hat ihn natürlich allegemacht. Sie haben ihn mit nach Lauri genommen, und das war’s dann.»
«Lauri? Ist das ein Ort?», fragte Sébastien.
Die Männer wechselten einen raschen Blick. «Das ist ein Dorf zwischen Merindou und Lourmarin», sagte der La Costo langsam. 296
«Und warum haben sie ihn dahin gebracht?», fragte Sébastien. Wieder dieser Blick. «Nun, Lauri…» Der Bonieus holte tief Luft.
«Sie haben eine Reihe Gefangene aus der Gegend um Merindou nach Lauri gebracht, wisst Ihr.»
«Ja, und wozu?», fragte Fabiou unbehaglich.
«Irgendwo mussten sie es tun. Also warum nicht Lauri», murmelte Jorgi de La Costo.
«Tun? Was tun?», fragte Fabiou nervös.
Der La Costo biss sich auf die Lippen. Jaume de Bonieus schüttelte heftig den Kopf. «Frag nicht, Junge», sagte er heiser. «Ich weigere mich bis heute, zu glauben, dass die Geschichten über die Ereignisse in Lauri der Wahrheit entsprechen.»
«Was für… Geschichten?», fragte Fabiou.
Der La Costo zuckte ungelenk mit den Achseln. «Am Schluss haben sie ihre Gefangenen vom Burgfelsen gestürzt, und was sie davor mit ihnen gemacht haben, erzähle ich dir besser nicht, Junge. Was den jungen Labarre betrifft, so heißt es, dass sie ihn gekreuzigt haben, an der Hütte des Schuhmachers. War hinterher alles nicht mehr so genau festzustellen.»
«Einen Edlen! Das muss man sich mal vorstellen!», schimpfte Buous.
Fabiou wollte etwas sagen, aber er brachte den Mund nicht auf. Er merkte, dass er albern und dämlich grinste. Trévigny schnappte ebenfalls mehrfach nach
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