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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Parlament schickt also einen Büttel nach Merindou, dass er diese Waldenser verhaftet, aber die haben irgendwie Wind davon bekommen und sich aus dem Staub gemacht. Gut, unsere lieben Rechtshüter hängen in Merindou also eine gerichtliche Vorladung aus, die alle Verdächtigen miteinschließt, darunter Greise und kleine Kinder. Die in Merindou schicken daraufhin einen zum Parlament, der darum bittet, die Anhörung in Merindou selbst abzuhalten, damit sie ihre halbtote Oma nicht nach Ais karren müssen. Und was macht das Parlament? Erlässt eine Verfügung, die besagt, dass die Frist abgelaufen sei, innerhalb derer sie in Ais hätten vorstellig werden müssen, und damit gälten alle verdächtigten Personen als der Ketzerei überführt und seien zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt!
    Und weil der senile Priester von dem Kaff herumgepöbelt hatte, dass ganz Merindou von Ketzern durchsetzt sei, sollte der gesamte Ort niedergebrannt und sämtliche beweglichen Güter eingestrichen werden! Also, ich bin ja nun wirklich kein Jurist, aber das weiß sogar ich, dass so etwas kein rechtsgültiges Vorgehen ist! Ja, und das war also der so genannte Arrêt de Mérindol .»
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    «Zuerst ist dann glücklicherweise gar nichts passiert. Sie hatten wohl doch Skrupel, die Sache wirklich in die Tat umzusetzen, und das war auch die Phase, wo König François so auf Verständigung mit den Protestanten und Toleranz gesetzt hat, da wäre ein Gemetzel dieser Größenordnung schon unangenehm aufgefallen», meinte Bonieus zynisch.
    «Nananana, halt, von wegen der Chassaneu habe Skrupel gekriegt!», fiel der Buous ein. «Der war doch um kein Deut besser als Maynier und de la Fonds, der Chassaneu. Das war bloß so, dass der Comte de Tende, der damals Gouverneur war, dem Parlament mitgeteilt hat, dass er die Sache mit Merindou nur übernehmen würde, wenn das Parlament die dazu erforderlichen Truppen finanzierte. Na, und siehe da, plötzlich wollte kein Mensch im Parlament mehr etwas vom Arrêt de Mérindol wissen. Also ging die Sache an den König, und da der gerade auch kein Geld übrig hatte, wurde stattdessen eben ein königlicher Gnadenerlass gegenüber Merindou herausgegeben, das kommt billiger. So war das und nicht anders. Von wegen Skrupel, es ging allen mal wieder nur um den Mammon!»
    «Mag sein, wie es will», der Bonieus war etwas verärgert über die ständigen Unterbrechungen, «auf jeden Fall verschwand der Arrêt erst mal in irgendeinem Sekretär und staubte vor sich hin
    – ohne dass er allerdings außer Kraft gesetzt worden wäre.»
    «Und dann?», fragte Fabiou atemlos.
    «Na ja, der Arrêt schwebte also Jahre lang wie dieses DaedalusSchwert über Merindou…», sagte Buous, Damokles, verbesserte Degrelho, der offensichtlich eine humanistische Bildung genossen hatte, es heißt Damokles-Schwert, «bis dann ‘44 Freund Oppède auf die geniale Idee verfiel, die frisch verwitwete und saureiche Barouno de la Tour d’Aigue zu heiraten, um aus seinen drei Äckern endlich ein Stück Land zu machen, das den Namen verdient. Na ja, die Barouno hat ihm einen Korb gegeben. Daraufhin war Monsieur le Baron in seiner Ehre gekränkt und von dem Gedanken besessen, der Barouno eins ‘reinzuwürgen. Die arme Frau war dummerweise die Lehensherrin von fünf oder sechs Dörfern, die zu einem beträchtlichen Teil von Waldensern bewohnt wurden. Und damit war das Schicksal der Waldenser besiegelt. Maynier hatte sich inzwischen 288
    so bei König François eingeschleimt, dass dieser ihm seine Bitte nach freier Hand bei der Bekämpfung der Waldenserproblematik nicht mehr abschlagen konnte, und allzu viel Toleranz gegenüber den Ketzern war auch nicht mehr in Mode. Also sammelt Maynier zu Ostern ‘45 eine Privatarmee aus königlichen Söldnern um sich, und Merindou, La Costo, Lourmarin und jedes andere Dorf in der Umgebung, in das mal ein waldensischer Hund einen Haufen gemacht hat, werden geplündert und angezündet, die Einwohner wahllos niedergemetzelt, einschließlich Frauen, Kindern und Greisen, ohne dass sich einer noch die Mühe macht, zu fragen, ob sie auch wirklich Waldenser seien oder vielleicht doch papsttreue Katholiken, die zufälligerweise am selben Ort wohnen.»
    «Oh ja. Und zum Teil einschließlich der katholischen Priester!»
    Der dies sagte, gesellte sich erst in diesem Moment der Runde zu, ein schlanker, dunkelhaariger Herr um die dreißig, der Fabiou nicht unbekannt war. Er blickte ausgesprochen finster drein.
    «Oh, Tag

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