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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Anwesenheit auf, und zu ihm gewandt meinte er, als Warnung für dessen zartes Gemüt oder um sein Interesse zu steigern: «Schlimme Geschichte, mein Junge, schlimme Geschichte.»
    «Die Waldenser, das war doch diese protestantische Gruppierung, die Mitte ‘45 die Kämpfe im Luberoun ausgelöst hat, oder?», fragte Fabiou in dem Versuch, nicht ganz so unwissend zu erscheinen.
    «Ja, so würde es Oppède wahrscheinlich auch ausdrücken!»
    schnaubte der Bonieus, der das genaue Gegenteil von seinem Freund Buous war, groß, hager und volle graue Haare, und Buous sagte: «Protestantisch ist sowie schon mal falsch. Die Waldenser waren eine katholische Sekte, die schon über dreihundert Jahre alt war, als die Welt erstmalig von einem Luther und einem Calvinus hörte.»
    «Sie ist von so einem Kerl aus Lyon gegründet worden, einem Kaufmann, glaube ich, Valdès hieß er. Deshalb Waldenser», sagte Bonieus.
    «Warum gelten sie dann als Ketzer, wenn sie katholisch waren?», fragte Fabiou erstaunt.
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    «Ja, Himmel, Bub, denkst du, den Begriff Häresie hat die Kirche erst definiert, als dieser deutsche Mönch 1517 seine Schmähschrift an diese Kirchentür genagelt hat?», fragte der Buous entsetzt.
    «Leute, die gegen die Regeln der Kirche verstoßen, hat es schon immer gegeben. Klar, ich denke, ohne die ganze Aufregung wegen der Protestanten wären die Waldenser wahrscheinlich völlig in Vergessenheit geraten. Aber wenn man schon auf Ketzerjagd ist, schnappt man sich halt auch die, die einem in den letzten hundert Jahren am Arsch vorbeigegangen sind.»
    «Ja, aber die Unruhen gingen doch von den Waldensern aus, oder?», fragte Fabiou erstaunt. Er dachte an die Ruinen von La Costo und Lourmarin.
    «Einen Dreck!», ereiferte sich der Bonieus. «Ich weiß, da gab’s diese Gerüchte, dass die Waldenser sich bewaffnet hätten und so, alle paar Wochen tauchte ein neuer Spinner auf und berichtete, dass er tausend bis an die Zähne bewaffnete Waldenser in Merindou gesehen hätte und so ein Mist! Ich frag’ mich, wo dieses Waldenserheer plötzlich war, als Maynier und de la Font ihre Truppe durch den Luberoun gejagt haben und bis auf die paar Hansel von Marron kein Mensch ihnen Widerstand geleistet hat!»
    «Ich sag’ dir, die waren alle gekauft, diese so genannten ‹Zeugen›!», schimpfte der Buous. «Die wollten sich eine goldene Nase verdienen, die vom Parlament, indem sie den Besitz von den Waldenser einstrichen, das war’s, und deshalb haben sie diese Horrorgerüchte über die Waldenser in Umlauf gesetzt, damit die Leute und der König hinter ihnen stehen. Also, ich sage euch, die Waldenser waren keine, die sich zusammenrotteten und Überfälle auf friedliche Leute planten. Ich hatte eine Menge Waldenser auf meinem Grund und Boden. Das waren friedliche, fleißige Leute, die pünktlich ihre Abgaben entrichtet haben und mit weltlichen Querelen nichts zu tun haben wollte. Die haben eben ihre eigenen Gottesdienste gefeiert mit ihren eigenen Priestern und ihren eigenen Riten, haben sich bemüht, streng nach der Bibel zu leben, so in Richtung Armut und Bescheidenheit, ein bisschen wie die Katharer fast, und das einzige Problem, das wir mit ihnen hatten, war, dass sie sich weigerten, Eide abzuleisten, wegen dieser Bibelstelle, deine Rede sei ja ja oder nein nein oder wie das heißt. Das 286
    war zwar ab und zu etwas unpraktisch bei Rechtsgeschichten, aber sicher kein Grund, sie alle abzumetzeln wie Schlachtvieh! Ohne jede Gerichtsverhandlung! Ich meine, sogar ein Ketzer hat doch ein Recht auf einen ordentlichen Prozess, oder?» Trévigny runzelte die Stirn. Fabiou schnappte fassungslos nach Luft. «Ja, aber wie… wie kann so etwas sein…»
    «Es gab da einen Erlass zu Merindou, diesen ‹ Arrêt de Mérin- dol› , wie sie es genannt haben.» Der Buous drückte seine Missbilligung aus, indem er diese Formulierung so französisch wie möglich aussprach. «Von… Jaume, weißt du noch, von wann der war?
    ‘38?», fragte er dann den Bonieus, und der meinte: «‘4‘0, glaube ich.»
    – «Also, ‘40 in etwa», fuhr der Buous fort. «Da hatte unser verehrter Erster Parlamentspräsident meines Wissens auch schon seine Finger mit drin. Damals war er zwar noch nicht Präsident, sondern nur Conseiller beim Parlament, aber trotzdem… Das war zunächst eigentlich eine ganz harmlose Geschichte, irgend so ein verhafteter Ketzer hatte erzählt, dass ein paar in Merindou der waldensischen Sekte angehörten. Na ja, unser hochverehrtes

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