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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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und da stand ein junger Priester vor ihr, ein freundliches Lächeln auf dem Gesicht, sie sackte auf die Knie, öffnete den Mund zu einem verzweifelten Hilfeschrei. «Corpus Christi», sagte der Priester freundlich und legte ihr eine Hostie in den Mund.
    Jesus. Hilf mir. Heilige Jungfrau.
    An ihr Medaillon geklammert taumelte sie wieder auf die Füße. Nichts registrierte sie mehr, nicht den Weg zurück auf ihren Platz, nicht den Segen des Bischofs. Das nächste, was ihr bewusst wurde, war, dass sie inmitten tausend anderer Trauergäste zum Ausgang gedrängt wurde. Und dass Catarino sich plötzlich von ihrer Seite löste und sich mit beiden Armen um sich boxend zur letzten Bank durchdrängelte, wo sie auf eine Nonne im schwarzen Habit zustürzte und derselben mit einem Schrei, der bis zum Altar zu hören war, um den Hals fiel. Dies war umso seltsamer als die Dame Castelblanc daraufhin mit einem Entsetzensschrei – «Jesus!» – die Hände vors Gesicht schlug und Onkel Philomenus ungeachtet der heiligen Räumlichkeiten einen wüsten Fluch ausstieß. Dann begann auch Oma Felicitas auf die Nonne zuzulaufen, und Frederi, und ein fragend dreinblickender Fabiou, und Cristino stolperte hinter ihnen drein.
    In der letzten Bank hing Catarino jauchzend am Hals der Nonne. «Tante Beatrix. Ich hab’ dich so vermisst», sagte sie immer und immer wieder.
    ***
    370
    Sie sah im Grunde aus wie auf dem Portrait im kleinen Salon. Älter natürlich, da, wo die dunklen Haare unter der weißen Haube mit dem schwarzen Übertuch zu erahnen waren, durchzogen sie graue Strähnen, und in ihren Mundwinkeln hatte sich beidseits eine feine Falte eingegraben. Doch ansonsten hatte sie sich nicht sehr verändert.
    Sie hatte etwas Faszinierendes. Faszinierend genug, um Cristino ihren grauenhaften Albtraum erst einmal vergessen zu lassen. Das lag zum Teil an ihrer Schönheit, denn sie war schön, trotz der vierundvierzig Jahre, die sie zählte, und obwohl ihr Gesicht niemals in Kontakt mit Puder und Schminke gekommen war. Sie war so schön, dass Catarino sich nur erstaunt fragen konnte, warum diese Frau in ein Kloster gegangen war, statt einen reichen Mann glücklich zu machen.
    Sie saß in einem der Sessel in Oma Felicitas’ Salon und ließ ihre dunklen Augen durch den Raum schweifen, die unter unglaublich langen schwarzen Wimpern hervorblickten. Es waren Augen, die alles mit einem Blick zu erfassen schienen, und Cristino spürte, wie sowohl Onkel Philomenus als auch ihre Mutter diesen Augen mit einem gewissen Unbehagen begegneten. Catarino saß an Cristinos Seite und beobachtete sie strahlend. «Ich habe sie sofort wiedererkannt», flüsterte sie Cristino und Fabiou ein ums andere Mal zu. «Sofort! Obwohl ich sie so lange nicht mehr gesehen habe!», und die Nonne, die ihre Worte sehr wohl verstand, sagte:
    «Du musst ein gutes Gedächtnis haben, Catarino, wirklich. Ein sehr gutes Gedächtnis.»
    Onkel Philomenus schien sich offensichtlich genötigt zu fühlen, etwas zu sagen, er räusperte sich und meinte: «Nun, ehrwürdige Schwester, wir fühlen uns geehrt, Euch nach so langer Zeit wieder in unserem Haus begrüßen zu dürfen. Nicht wahr, Eusebia, Madaleno?» Er drehte sich Bestätigung heischend zu seiner Frau und seiner Schwester um. «Oh ja, geehrt, sehr geehrt», flötete Eusebia. Die Dame Castelblanc murmelte etwas Unverständliches. Ein spöttisches Lächeln glitt über die Züge der Nonne. «Warum so förmlich, Vetter? Du kannst mich ruhig weiter Beatrix nennen, wie früher», sagte sie. Sie hatte eine angenehme, weiche Stimme, 371
    melodiös wie die einer Sängerin. Dafür war der Blick aus ihren Augen so scharf wie eine Messerklinge.
    «Nun…», Onkel Philomenus suchte nach Worten, «als guter Katholik würde ich es mir nicht anmaßen, einer Ordensfrau die ihr zustehende Ehrerbietung zu verweigern…»
    «Dann nenn mich bitte Mutter Oberin, wenn du so viel Wert auf Förmlichkeit legst», sagte die Nonne mit hochgezogenen Augenbrauen. «Ich stehe seit einigen Jahren der Benediktinerinnenabtei in Origny-Sainte-Benoite vor.»
    Onkel Philomenus räusperte sich wieder. «Wir glaubten Euch noch in Rom…», murmelte er.
    «Oh, ich sah keinen Grund, ausgerechnet Euch meinen Aufenthaltsort mitzuteilen», meinte Schwester Consolatoria, jetzt ebenfalls zum distanzierten «Ihr» übergehend. «Warum auch – es hätte Euch ja vermutlich Eure Tage vergällt, mich derart in Eurer Nähe zu wissen. Übrigens wusste Tante Felicitas sehr wohl, wo ich

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