Die Kinder des Ketzers
war.»
Zwischen Philomenus, Eusebia und Madaleno wurden peinlich berührte Blicke gewechselt. Frederi drehte sich zu Oma Felicitas um. «Warum habt Ihr mir nie etwas davon gesagt?», fragte er entgeistert.
«Ach, Frederi», seufzte die Großmutter, «es war doch besser so…»
«Nun, ähm… was führt Euch nach Ais?», fragte Philomenus.
«Ich treffe mich mit einigen anderen Vorsteherinnen unseres Ordens, um aktuelle Probleme zu erörtern», erklärte Beatrix.
«Ich bin schon einige Wochen in Ais, wir werden im Konvent der Schwestern der Heiligen Clara beherbergt.»
«Warum hast du uns dann nicht früher aufgesucht?», fragte Frederi anklagend.
«Wir sind nicht zum Vergnügen hier, es gab einiges zu tun», meinte Beatrix unbeeindruckt. «Im Übrigen war ich mir nicht sicher, ob ich hier ein so gern gesehener Gast bin.»
«Aber liebste Cousine», säuselte Tante Eusebia, «natürlich seid Ihr uns jederzeit herzlichst willkommen…»
«So.» Beatrix lächelte spöttisch. «Ist das so. – Nun, ich freue mich auf alle Fälle, Euch alle wiederzusehen. Insbesondere die Kinder. Sie ähneln alle unglaublich ihren Vätern. Bis auf die junge 372
Dame hier – Cristino, richtig? Sie scheint eher nach ihrer Mutter zu schlagen.» Madaleno warf ihr einen giftigen Blick zu. Sie verstand diese Bemerkung offensichtlich nicht als Kompliment.
«Nun, verehrte Schwester Consolatoria», Philomenus brachte die Worte «Mutter Oberin» offensichtlich nicht über die Lippen,
«Ihr bleibt doch hoffentlich zum Abendessen?»
«So leid es mir tut, nein», sagte Beatrix. «Ich muss gleich wieder aufbrechen, meine Ordensschwestern erwarten mich. Ich denke, wir werden diese anregende Unterhaltung zu einem anderen Zeitpunkt fortsetzen müssen», fügte sie mit einem unergründlichen Lächeln hinzu.
«Nun… ähem… man wird sehen…», murmelte Onkel Philomenus und stand auf. «Dann… begleite ich Euch wohl am besten zur Tür, Schwester Consolatoria.»
«Tante Beatrix!» Catarino sprang auf und rannte strahlend auf die Nonne zu. «Ich freue mich so, dass Ihr wieder da seid! Ich hab’
Euch als Kind immer so lieb gehabt! Bitte, kommt uns bald wieder besuchen, ich habe so viele Fragen an Euch, über damals, und meinen Vater, und…»
«Nun… Schwester Consolatoria, wir sollten gehen…», meinte Philomenus.
Die Nonne wirkte plötzlich ziemlich gerührt. «Ich freue mich auch, wieder da zu sein, Catarino. Wirklich», sagte sie lächelnd.
«Schwester Consolatoria!» Onkel Philomenus wirkte langsam ziemlich verärgert. Er schritt zur Tür und öffnete sie auffordernd. Plötzlich sprang Frederi auf die Füße. «Ich bringe sie nach unten», sagte er, nahm Beatrix’ Arm und schob sie zur Tür hinaus. Onkel Philomenus seufzte auf. Die Dame Castelblanc machte ein Gesicht, das restlos erleichtert schien. Oma Felicitas warf den beiden böse Blicke zu. Catarino, Cristino und Fabiou sahen sich an. Sie konnten sich des Gefühls nicht erwehren, dass ihre Mutter und ihr Onkel Tante Beatrix nicht sonderlich leiden konnten.
«Ich denke, ich sage Suso, dass sie das Essen richten kann», seufzte Oma Felicitas und humpelte aus dem Raum. Fabiou holte sie auf der Treppe ein. «Oma?»
«Ja?»
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«Was haben die alle gegen Tante Beatrix? Sie scheint doch echt nett zu sein.»
«Oh – dein Onkel Philomenus hat etwas gegen gebildete Frauen, Nonne hin oder her», meinte Oma Felicitas spöttisch. «Und die beiden Weiber», sie meinte Madaleno und Eusebia, «nun, ich weiß
auch nicht. Ich denke manchmal, sie sind einfach neidisch.» Sie verschwand in Richtung Küche. Fabiou sah ihr kopfschüttelnd hinterher. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass seine Mutter, gut verheiratet wie sie war, mit dem gesellschaftlichen Ansehen, das man ihr entgegenbrachte, und dem gewissen Luxus, in dem sie lebte, neidisch auf ihre in der kargen Abgeschiedenheit eines Klosters lebende Kusine sein sollte!
«Wieso bist du zurückgekommen?» Fabiou fuhr zusammen. Die Stimme kam von unten, von der Eingangstür. Frederis Stimme. Sie klang wütend. Vielleicht auch eher panisch.
«Wieso?» Tante Beatrix, die Frederis Tonfall nachäffte. «Weil das meine Heimat ist. Weil meine Familie hier begraben liegt. Reicht dir das als Grund?»
«Jesus, Beatrix – hast du denn gar keine Angst?»
«Vor wem? Vor denen? Hast du denn Angst?» Ein erschöpftes Schweigen von unten. Fabiou spitzte die Ohren. Angst – wovor bitte sollte sein Stiefvater denn Angst haben?
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