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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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einer seiner Leute hat ihn zu sich aufs Pferd gezogen, und dann sind sie davongaloppiert, mit dem Joan, und bis der Bossard seinen Mund zugekriegt hat, waren sie schon über alle Berge!» Sie strahlte über das ganze Gesicht. Fabiou sah sie etwas zweifelnd an. Die Geschichte klang in der Tat zu abenteuerlich, um wahr zu sein. «Ja, und wer waren diese Edelleute?», fragte er ungläubig.
    «Na, das ham sie nie ‘rausgefunden», erklärte die Suso. «Deswegen ham sie ja immer erzählt, es wären die Antonius-Jünger gewesen!»
    380
    «Das ist ja verrückt!» Fabiou schüttelte den Kopf. «Was für einen Grund sollte ein Edelmann haben, einen gesuchten Verbrecher zu befreien? Das gibt doch keinen Sinn!» Er seufzte. «Schade, dass man nicht weiß, wer dieser Edelmann war.»
    «Oh, die Bauern hatten einen Namen für ihn», erzählte Suso eifrig.
    «Ach! Und der wäre?»
    Suso strahlte über das ganze Gesicht. «Sie nannten ihn Carfadrael», sagte sie. 381

    Kapitel 8
    in dem allerhand in der Nacht herumgegeistert wird Passa la nave mia colma d’oblio
    per aspro mare, a mezza notte, il verno
    in fra Scilla e Cariddi; et al governo
    siede’l signore, anzi’l nimico mio.
    A ciascun remo un penser pronto e rio,
    che la tempesta e’l fin par ch’abbi a scherno;
    la vela rompe un vento, umido, eterno,
    di sospir, die speranze e di desio.
    Pioggia di lagrimar, nebbia di sdegni
    bagna e rallenta le già stanche sarte,
    che son d’error con ignoranzia attorto.
    Celansi i duo miei dolci usati segni;
    morta fra l’onde è la ragion e l’arte:
    tal ch’i’ncomincio a disperar del porto.
    Es fährt mein Schiff beladen mit Vergessen,
    auf rauem Meer, mitten in der Nacht, zur Winterzeit, zwischen Scylla und Charybdis. Und am Steuer
    sitzt mein Gebieter, nein, vielmehr mein Feind.
    An jedem Ruder ein schneller und schlechter Gedanke, der Sturm und Tod zu verhöhnen scheint.
    Die Segel zerreißt ein feuchter und immerdauernder Wind aus Seufzern, Hoffnungen und Verlangen.
    Regen aus Tränen und Nebel aus Verachtung
    nässt und behindert die schon müden Taue,
    die mit Irrtum und Unwissenheit umwoben sind.
    Es verbergen sich meine zwei süßen gewohnten Zeichen; die Vernunft und die Kunst sind in den Wellen
    untergegangen, und ich beginne, nicht mehr an den Hafen zu glauben. Francesco Petrarca, italienischer Poet (1304-1374) 383
    Am 16. Mai 1558 saß Cristino des Morgens am Fenster ihres Schlafzimmers und machte sich klar, dass sie geistlichen Beistand benötigte.
    Seit jenem seltsamen Fest bei den Mancouns war so gut wie keine Nacht vergangen, in der sie nicht einen furchtbaren Albtraum gehabt hatte, Albträume, die sich auf erschreckende Weise glichen, in denen sie durch eine Gasse lief, flankiert von unzähligen Leichen, die sie aus ihren leeren Augen anstarrten, in denen sie in einen Spiegel starrte, aus dem ihr ein kleines blondes Mädchen mit einem sternförmigen Muttermal auf der Stirn entgegensah, in denen sie dann durch endlose dunkle Gänge floh, verfolgt von einem Ungeheuer in der Gestalt eines Weibes mit wehenden hellen Haaren, und die stets damit endeten, dass sie über einen toten Körper stolperte, der dem Mädchen im Spiegel erschreckend ähnelte. Und damit, dass das Monster die Hände nach ihr ausstreckte. Sie hatte Catarino davon erzählt. Zwillingsschwestern haben schließlich keine Geheimnisse voreinander. Doch Catarino fand die ganze Sache eigentlich nur im höchsten Maße lächerlich. Träume sind Nebelschwaden, sagte sie, und dass man vom Geist eines Toten besessen sein kann, ist ja wohl nichts als Aberglaube, und überhaupt, wenn es dir vor diesem Medaillon so graust, dann wirf es halt weg! Nur zu gern hätte Cristino Letzteres getan, doch sie hatte den furchtbaren Verdacht, dass Agnes sich dann schrecklich rächen würde. Du spinnst wirklich, meinte Catarino und verdrehte die Augen.
    Überhaupt gab es für Catarino derzeit nur zwei Themen: erstens die Jungs – Jean und Alexandre de Mergoult, Sébastien de Trévigny und Arnac de Couvencour – und zweitens Tante Beatrix. Fast jeden Tag lag sie dem Cavalié und ihre Mutter in den Ohren, dass sie sie im Konvent der Clarissinnen besuchen wollte, und ständig gab sie eine neue Geschichte zum Besten, was sie angeblich früher alles mit Tante Beatrix unternommen hatte. Fabiou und Cristino glaubten diesen Geschichten genauso wenig wie sie Catarinos ewigen Erzählungen über ihren Vater glaubten; sie hatten beide keinerlei Erinnerungen an Tante Beatrix, was

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