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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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größtenteils unfrisiert und im Hemd, hatten ihn hierher begleitet, und jetzt stand er seit einer Viertelstunde stumm vor Austeliés Bettstatt und betrachtete kopfschüttelnd den Ort der Bluttat.
    «Viguié?», fragte Laballefraou zaghaft. Es kam nicht oft vor, dass Crestin im Angesicht eines Verbrechens derart sprachlos war.
    «Es passt nicht», murmelte der Viguié. «Irgendetwas passt nicht zusammen.» Er seufzte. «Wo ist der Junge, der die Toten entdeckt hat?»
    Der Arquié wies auf die Tür, und Crestin stieß sich von der Kommode ab und schritt nach draußen. Fabiou lehnte an der Wand, sein Gesicht ungefähr so weiß wie die Tünche hinter seinen Schultern, und klapperte mit den Zähnen. Crestin betrachtete ihn nachdenklich. «Seltsam», sagte er kopfschüttelnd, «aber Ihr scheint wirklich immer in der Nähe zu sein, wenn ein Mord geschieht.»
    «Wa… was wollt Ihr damit sagen?» Fabious Stimme schnappte über vor Nervosität. «Dass Ihr mich für den Mörder haltet?»
    «Euch?» Der Viguié lachte auf. Ein freudloses Lachen. «Eine interessante Idee, muss ich zugeben. Aber nein – ich will damit eher 411
    sagen, dass Ihr eine ziemlich unschickliche Neigung habt, Eure Nase in Dinge zu stecken, die Euch nichts angehen. Und, um die Bibel zu zitieren – wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um, Senher Castelblanc.»
    «Bèufort! Ich heiße Bèufort!», krächzte Fabiou.
    «Von mir aus. Tut Ihr das öfter, Senher Bèufort – nachts in fremden Häusern herumgeistern, meine ich?»
    «Ich wollte nur nach dem Rechten sehen!», fauchte Fabiou.
    «Nachdem ich den Kahlkopf aus der Tür habe kommen sehen, war mir klar, dass ein Verbrechen geschehen war!»
    «Der Kahlkopf?» Der Viguié runzelte die Stirn. «Ihr wollt sagen, Ihr habt eine Person gesehen, die des Mordes verdächtig sein könnte?»
    «Ich habe sogar zwei Personen gesehen, die beide ziemlich verdächtig waren!» Fabious Stimme gewann allmählich wieder an Festigkeit. «Den Kahlen und den mit der Maske!»
    Crestin starrte ihn einen Moment lang sprachlos an. Dann lachte er auf. «Lasst mich raten – eine weiße Maske mit blutroten Tränen und dazu einem Drachenzahn und einem Pferdefuß, richtig?»
    «Ich habe wirklich einen Mann mit einer Maske gesehen!», empörte sich Fabiou, verärgert über Crestins Spott.
    «Junger Mann, Ihr werdet nicht glauben, wie viele brave Bürger von Ais mir in den letzten Tagen die Stube eingerannt haben mit den fantastischsten Berichten über den Mörder mit der weißen Maske», sagte Crestin müde. «Es wurden alle Variationen beobachtet – zum Teil kam er auf einem Besen angeflogen und zum Teil ging er durch Wände, und fast immer war er drei Schritt groß und trug eine Kette aus menschlichen Schädeln um den Hals.»
    «Ich habe ihn wirklich gesehen», zischte Fabiou.
    «Ach, und wo?»
    «Da. In diesem Raum.» Fabiou zeigte auf die Tür zum Schlafzimmer des Notars. Der Viguié betrachtete ihn seltsam. «Könntet Ihr Eure Geschichte vielleicht von Anfang an erzählen?», fragte er. Das ließ Fabiou sich nicht zweimal sagen und lieferte dem Viguié
    einen detaillierten Bericht seiner Erlebnisse in der letzten Stunde.
    «Danach bin ich aus dem Haus gerannt», endete er, «und habe nach 412
    dem Nachtwächter gerufen. Mehr weiß ich nicht. Was denkt Ihr, wer hat es getan? Und warum?»
    «Langsam, langsam…» Der Viguié sah nachdenklich ins Leere.
    «Ihr seid also in das Haus eingedrungen, weil Ihr einen Mann herauskommen saht, der Eures Erachtens wie ein Mörder aussah, kann man das so sagen?»
    «Hm. Ja.»
    «Und nachdem Ihr den toten Diener gefunden hattet, warum habt Ihr dann nicht gleich den Nachtwächter geholt?»
    «Na, weil mir klar war, dass er nicht der einzige Tote sein konnte. Wieso sollte sich einer die Mühe machen, in ein Haus einzudringen, nur um einen alten Diener zu töten?»
    «Wieso sollte sich überhaupt einer die Mühe machen, einen alten Diener zu töten?», fragte Crestin spöttisch.
    «Na, das ist doch wohl klar!», rief Fabiou aus.
    «Ach!» Crestin zog die Augenbrauen hoch.
    «Ja. Er hat den Kahlen überrascht. Deswegen musste er sterben.»
    «Und woraus schließt Ihr das?», fragte der Viguié schmunzelnd.
    «Ad unum: er war im Nachtgewand, so als ob ihn etwas aus dem Schlaf geweckt hat. Ad altrum: er wurde nicht in seinem Bett getötet wie der Notar, sondern auf dem Gang, der zum Zimmer des Notars führte. Ad tertium: neben ihm lag eine erloschene Lampe. Vermutlich hat der Kahle sie gelöscht,

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