Die Kinder des Ketzers
den Schoß der Familie aufgenommen», antwortete Victor. «Zumal er auf den zweiten Blick von seiner Schwiegertochter sehr angetan war. Justine war eine wunderschöne Frau, normannischer Abstammung, groß und schlank und blond, mit einem bezaubernden Lachen und einem äußerst gewinnenden Wesen. Dazu kam, dass sie ein paar Ländereien im Norden in die Verbindung mit einbrachte. Und sie hatten vier unglaublich süße Kinder, darunter den ersehnten Stammhalter, Daniel, einen kräftigen, hübschen Bub, nicht so ein kränkelndes Geschöpf wie ich.» Wieder lachte er. Ohne Neid, wie es schien.
«Also wurde Hector nach dem Tod meines Großvaters Baroun d’Astain. Mit einer Einschränkung – die Besitzungen meines Großvaters in der Gegend von St. Roumié, am Nordrand der Aupiho, gingen an meinen Vater, so als kleiner Denkzettel, schätze ich. Was Hector, wenn man meinem Vater glauben darf, aber nicht im Geringsten gestört hat. Er war nicht sehr auf materiellen Besitz aus.» Er runzelte die Stirn. «Er muss ein guter Herr gewesen sein, seine Bauern und seine Untergebenen schwärmen noch heute. Er hatte einfach diesen Gerechtigkeitsfimmel, komplett ohne Ansehen der Person und des Standes. So nach dem Spruch, vor Gott sind alle Menschen gleich. Sie haben ernsthaft um ihn getrauert, als er starb.»
«Warum sind sie damals überhaupt nach Arle gefahren?», fragte Fabiou nachdenklich. «Ich meine, damals, als es passiert ist…»
Victor zuckte mit den Achseln. «Sie sind immer viel herumgereist. In Arle wollten sie einen Freund besuchen, glaube ich. Sie ließen sich nicht von der Unsicherheit der Straßen abschrecken, obwohl damals wirklich kaum ein Tag verging, an dem nicht ein Reisender von den Antonius-Jüngern oder anderen Räubern überfallen wurde. Mein Vater war von vorneherein gegen die Fahrt zum damaligen Zeitpunkt. Deshalb ist er auch mitgefahren, als sie sich 453
nicht davon abbringen ließen. Ich glaube, er hat geahnt, dass etwas Schreckliches geschehen wird.»
«Wieso konnte er damals entkommen?», fragte Fabiou neugierig.
«Er sagt, er sei gerade ein Stückchen vorangeritten, als die Bande angriff. Sie haben ihn wohl komplett übersehen. Er ist zurückgeritten, und er und ein Diener haben es geschafft, die drei Mädchen zu sich aufs Pferd zu ziehen und sich den Weg ins Freie zu erkämpfen. Ich glaube, er macht sich bis heute Vorwürfe, dass er stattdessen nicht bei seinem Bruder geblieben ist. Aber irgendwo hat er, denke ich, auch nicht daran geglaubt, das Hector es nicht schaffen würde. Weißt du, Hector war ein fantastischer Kämpfer. Er war unschlagbar, so schien es allen immer. Aber gegen zwanzig schwerbewaffnete Räuber hatte er natürlich auch keine Chance.»
Er schwieg einen Moment und spielte mit den Zügeln seines Tieres.
«Ich finde es noch heute schrecklich, dass ein Mensch wie Onkel Hector so sterben musste. So – sinnlos! Von Räubern erschlagen, die nur auf sein Geld aus waren und die den Nächsten genommen hätten, wenn er nicht zufällig vorbeigekommen wäre! Verstehst du, wenn jemand anders ihn getötet hätte, einer von der Sorte, mit denen er im Streit lag, das könnte ich akzeptieren, das wäre irgendwie die Konsequenz seines Lebens. Aber so…» Er schwieg. Fabiou betrachtete ihn nachdenklich. «Willst du damit sagen, dass dein Onkel Feinde hatte?»
Victor lachte. «Wie Sand am Meer. Wie gesagt, er hat sich mit vielen Leuten angelegt, hat sich vor allem auch immer gegen die Verfolgung der Protestanten und Waldenser gestellt. Er hatte sogar Freunde unter den Waldensern. Da war dieser Lucian Veive, ein Sohn des Schultheiß von La Costo. Er und mein Onkel waren zusammen zur Schule gegangen, und sie blieben befreundet, obwohl Lucian bekennender Waldenser war, bis zu Lucians Tod – er war einer der ersten, der durch den Arrêt de Mérindol ums Leben kam, er wurde auf offener Straße von Mayniers Soldaten erschossen, noch bevor der Vernichtungsfeldzug gegen die Waldenser richtig begonnen hatte.» Victor holte tief Luft. «Ich denke, es gab eine Menge Leute, die heimlich eine Dankesmesse lesen ließen, als sie vom Tod meines Onkels erfuhren.»
«Die Carcisten zum Beispiel», mutmaßte Fabiou.
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Victor seufzte. «Man nannte sie damals noch nicht so, aber… ja, Leute ihres Schlages haben Onkel Hector ganz gewiss keine Träne nachgeweint.»
«Ich weiß, das ist jetzt eine dumme Frage, aber wer genau ist dieser Carcès eigentlich? Alle reden von ihm, und ich weiß bisher nur, dass er
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