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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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und der Adel der halben Provence frisst ihnen aus der Hand! Warum kapieren die nicht, dass das eine Bande von gewissenlosen Mördern ist?»
    «Es ist am einfachsten so, Jorgi.» Der Bouliers zuckte mit seinen fleischigen Schultern. «Einfacher, als zu riskieren, sich mit einem Maynier anzulegen. Man weiß schließlich, was mit Leuten passiert ist, die es versucht haben. So etwas riskiert man nicht nur wegen ein paar toten Ketzern.» Er lachte bitter auf. «Mut ist eine seltene Tugend, Jorgi.»
    «Die Brust, man muss direkt auf die Brust zielen», tönte Alexandre de Mergoult gerade, während er Blicke wie Giftpfeile in Richtung der Herren Couvencour und Trévigny sandte, «trifft man einen Flügel, so kommt er nur ins Trudeln» – er meinte den Bussard
    –, «aber vom Himmel holt man ihn nur, wenn man ihm den Bolzen mitten durch die Brust jagt.» Die Damen seufzten beeindruckt.
    «He, Mergoult, genug gelabert! Auf, jagen wir noch eine Runde!», schrie Sébastien begeistert und wollte sein Pferd wenden. Und es wurde dunkel.
    Blicke wandten sich nach oben, eine bleigraue Wolkenwand hatte sich zwischen die Sonne und die Keyrié geschoben. Die Hitze war auf einmal lastend wie Eisen. Totenstill schwieg der Wald. Der Buous warf einen kritischen Blick in die Runde. «Wir sollten machen, dass wir zum Anwesen kommen», meinte er zu Degrelho gewandt. «Das sieht nach einem üblen Gewitter aus.»
    Degrelho nickte. Er sah besorgt aus. «Wir reiten dort entlang.»
    Er wies nach links. «Das ist der kürzeste Weg.»
    Ein paar der Jungs protestierten, doch die Älteren waren derselben Meinung, und die Mädchen begannen ängstlich zu jammern angesichts der entsetzlichen Gefahr, ihre Frisur und ihr Kleid durch einen Regenguss ruiniert zu sehen. Also sammelten die Diener die Jagdbeute ein, und die Gesellschaft setzte sich wieder in Bewegung, in Richtung des Anwesens der Familie Degrelho. Die Stimmung war jetzt deutlich gedrückter. Noch fiel kein Regentropfen, doch die seltsame, drückende Hitze und die unnatürliche Stille im Wald ließen die Pferde nervös tänzeln und die Hunde jaulen, und auch das Lachen der Menschen klang jetzt eigenartig 447
    gezwungen, die Mädchen drängten sich an ihre Mütter oder ihre Kavaliere, die Frauen an ihre Männer, und nur die forschen jungen Edelleute ritten unverminderten Mutes voraus und beruhigten die Damen mit großspurigen Kommentaren.
    So näherte sich auch Alexandre de Mergoult Cristino, die, durch die Nachdrängenden von Catarino und den Buous getrennt, etwas einsam hinter dem Kopf ihrer Schimmelstute hervorsah und grauenerfüllt darüber nachdachte, wie ihr perfekt geschminktes Gesicht und ihr cremefarbenes Kleid einen Zusammenstoß mit einem Platzregen verkraften würden. Und das war noch nicht mal das Schlimmste.
    Sie hasste Gewitter.
    « Mademoiselle !» Mergoult deutete eine Verneigung an. «Ich hoffe, ihr macht Euch nicht allzu große Sorgen.»
    Cristino linste durch die Baumkronen zum Himmel. Das Bleigrau begann, sich in stumpfes Anthrazit zu verwandeln. «Ich…
    ich habe Angst», flüsterte sie kaum hörbar.
    «Das müsst Ihr nicht. Ihr werdet sehen, wir werden lange vor dem Gewitter im Chateau d’Astain sein», sagte Alexandre beruhigend.
    «Und was, wenn nicht?», jammerte Cristino.
    In diesem Moment geschah etwas Unvorhergesehenes. Das Pferd des Reiters vor Cristino, das die ganze Zeit nervös vor sich hin getänzelt hatte, wieherte plötzlich schrill und brach seitlich aus, was zur Folge hatte, dass Cristinos Pferd scheute und sie beinahe das Gleichgewicht verlor. Sie kreischte auf und klammerte sich mit beiden Händen an der Mähne fest. Der Reiter vor ihr brachte fluchend sein Pferd unter Kontrolle, und Mergoult griff rasch nach ihren Zügeln. «Alles in Ordnung, Cristino», sagte er.
    Sie richtete sich auf. Sie hatte Tränen in den Augen. Sie hasste Gewitter, sie hasste Wälder, und die Kombination aus beidem hasste sie ganz besonders. «Kommt, Cristino.» Mergoult lenkte sein Pferd seitlich zwischen die Bäume, Cristinos Tier hinter sich her ziehend. Sie entfernten sich auf diese Weise von der Gruppe, bis der Abstand zwischen ihnen gute zwanzig Schritt betrug, dann schwenkte Mergoult wieder in die ursprüngliche Richtung ein.
    «Seht Ihr, jetzt kann so etwas nicht mehr passieren», meinte er lächelnd.
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    Sie schniefte und tupfte ihre Nase mit einem Taschentüchlein.
    «Danke», sagte sie. «Ihr seid sehr… galant.»
    Er hielt an, und da er noch immer ihre Zügel in

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