Die Kinder des Ketzers
gab Fabiou zu. «Es ist gut möglich, dass es eine Kiste war. Also, das ist ja wirklich interessant.» Er strahlte über das ganze Gesicht.
«Es ist wohl zu viel verlangt, wenn ich darum bitte, uns an Euren atemberaubenden Erkenntnissen teilhaben zu lassen?», fragte Crestin spitz.
Fabiou grinste triumphierend und verschränkte die Arme über der Brust. «1545. Man kommt immer wieder auf dieses Datum zurück. Es kann nur und muss der Schlüssel zu den Morden sein. 1545 wurden die Antonius-Jünger vernichtet – deren Signatur bei fast allen, ich würde sogar sagen, bei allen Morden der jüngsten Vergangenheit auftauchte. 1545 wurde Hector Degrelho ermordet
– angeblich von den Antonius-Jüngern, wobei die Signatur, die man bei seiner Leiche fand, mehr der aktuellen ähnelt als alle, die die Antonius-Jünger sonst hinterlassen hatten. 1545 tötete eine angeblich Wahnsinnige Degrelhos Töchter – und auf eben dieses Verbrechen spielt eine Stelle in dem Brief an, den Trostett, unser erstes Mordopfer, hinterlassen hat. Und beim letzten Mord verschwanden ausgerechnet alle Unterlagen von 1545. Ihr glaubt doch nicht im Ernst, das alles sei Zufall?»
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Crestin betrachtete ihn stirnrunzelnd. «Degrelho? Hector Degrelho, sagtet Ihr?», fragte Laballefraou vom Pult aus.
«Ja, wieso?»
«Ach, ich habe da in Austeliés Unterlagen gerade etwas gesehen…» Laballefraou wühlte sich durch die Papiere, um eines davon schließlich hervorzuziehen. «Da.»
Fabiou war schneller beim Pult als Crestin, weshalb er einen Blick auf das Papier werfen konnte, bevor Crestin es an sich nahm. Es war ein Brief, eine kurze Notiz nur, datiert auf den 12. November 1544. «Ich komme wie besprochen am 5. Januar zu Euch, um alles weitere bezüglich des Testamentes zu klären. H. Degrelho.»
«Ein Testament?», rief Fabiou. «Was für ein Testament denn?»
Schrieb nicht auch Trostett von einem Testament?
«Na, scheint so, als habe Degrelho etwas geerbt.» Laballefraou kratzte sich am Kopf. «Ich habe aber nichts weiteres in der Richtung entdeckt. War wahrscheinlich alles 1545 einsortiert.»
Victor hatte erzählt, sein Großvater habe einen Teil seines Erbes dem älteren Sohn, Archimède, vermacht, um den ungezogenen jüngeren Sohn zu strafen. Sicher hatte er also ein Testament hinterlassen. Bei Austelié? Und was gab es da noch zu klären? War der gute Hector vielleicht doch mehr an materiellen Gütern interessiert, als Victor, sein großer Bewunderer, meinte? Wollte er das Testament, das seinen Bruder begünstigte, vielleicht anfechten?
Oder es am Ende sogar verschwinden lassen?
«Da wir bei ungelösten Rätseln sind», Crestin räusperte sich,
«ich hätte da eines, das Ihr vielleicht aufklären könntet.»
«Was denn?» Fabiou horchte auf.
«Da.» Crestin griff ein Blatt Papier, das zuoberst auf seinem Tisch lag, und reichte es Fabiou. Fabiou betrachtete es erstaunt. Auch dieses ein Brief offensichtlich. Adressat der Notar Austelié. Autor Philomenus Breix, Senher d’Auban.
«Verehrter Notar,
hiermit versichere ich Euch, dass ich bereit bin, die Verpflichtung meines verstorbenen Schwagers gegenüber seinem Mandanten, Seigneur Beauchamps, zu erfüllen, der immerhin von hoher Geburt war, seinen Verfehlungen zu Lebzeiten zum Trotz. Meine Wenigkeit beziehungsweise meine Schwester werden mit Gottes 499
Hilfe versuchen, unserer Christenpflicht gegenüber besagter Person nachzukommen und insbesondere sicherzustellen, dass jene von der schrecklichen Seuche verschont bleibe, der S. Beauchamps anheimfiel. Ich muss Euch allerdings ersuchen, absolute Diskretion zu wahren, um der Ehre und der Gemütsverfassung meiner verehrten, von Gott so gestraften Schwester keinen Schaden zuzufügen.
P. Breix, Seigneur d’Auban, 20. April 1546.»
Er überschlägt sich nicht gerade mit Höflichkeit, dachte Fabiou. Ist es nur die Arroganz des Adligen gegenüber einem Bürgerlichen, oder empfindet er diese «Verpflichtung» als ziemliche Zumutung?
Was für eine Verpflichtung?
«Tut mir leid – ich habe keine Ahnung, worum es da geht», meinte Fabiou. «Mein Vater war Anwalt – offensichtlich hat er vor seinem Tod von einem ebenfalls verstorbenen Mandanten einen Auftrag angenommen, den nun meine Mutter, beziehungsweise mein Onkel als ihr gesetzlicher Vertreter erfüllen mussten. Für mich klingt es nach einer Erbschaftsgeschichte. Vielleicht hat der Mandant seiner Frau oder einem unmündigen Kind ein Erbe hinterlassen und meinen Vater im Falle seines
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