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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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entdeckt hatte. «Baroun de Mergoult ist tot, und seine Frau bringt ungefähr doppelt so viel Gewicht auf die Waage wie die da.» Er blickte zu Beatrix hinüber und erschrak. Das Gesicht seiner Tante hatte kaum mehr Farbe als ihre weiße Haube.
    «Senher de Souille und seine Gattin, die Dame de Souille-Oppède», sagte sie mit einer Stimme, die klang, als habe sie eine schwere Affektion der Rachenmandeln. «Mayniers älteste Tochter, also Alexandre de Mergoults natürliche Halbschwester.» Sie blinzelte heftig. «Cristino, du musst vorsichtig sein», sagte sie.
    «Wieso?», fragte Cristino erstaunt.
    «Es ist wirklich nicht einfach, weil er sein Sohn ist», Beatrix’ Augen wanderten zu ihrer Nichte. Sie blinzelte noch immer, als habe sie die Augen voll Staub. «Philippe, sein legitimer Sohn, war ein wundervoller Mensch – war – ist – Gott, ich bete, dass er noch am Leben ist – aber dieser Mergoult…» Sie rang nach Luft. «Er… war letztens bei uns, im Konvent der Heiligen Clara, zu Besuch. Seine 555
    ältere Schwester, also seine legitime Schwester, Anno de Mergoult, ist Clarissin…» Wieder schnappte sie nach Luft. Man hätte meinen können, sie hätte wahrhaftig ein ernsteres Problem mit ihren Atemwegen. «Er ist ihm so ähnlich», flüsterte sie. «Wie er redet…
    und was er sagt… in jedem seiner Worte höre ich ihn.»
    «Wen ihn?», fragte Cristino verständnislos.
    Beatrix zitterte in der Tat am ganzen Körper. «Maynier», stieß
    sie hervor. «Sei vorsichtig, Cristino.»
    «Ja, und?», fragte Cristino. «Immerhin ist der Baroun d’Oppède doch Gerichtspräsident.»
    «Und einer der einflussreichsten Männer von Ais!», erklärte Catarino vehement. Tante Beatrix hatte ihre Lippen so fest zusammengepresst, dass sie regelrecht durchsichtig wirkten. Sie schüttelte stumm den Kopf.
    «Habt Ihr Philippe denn gekannt?», fragte Fabiou neugierig. Beatrix nickte ruckartig. «Gut sogar», krächzte sie. «Pierre und er waren eng miteinander befreundet. Sie waren zusammen auf der Schule.»
    «In dieser Klosterschule?»
    «Ja, in der Klosterschule.» Sie lachte nervös auf. «Die hatte einen guten Ruf, diese Schule. Eine Menge der hiesigen Adligen und reichen Bürgerlichen haben ihre Söhne dorthin geschickt.»
    «Ist es wahr, was man so hört?», fragte Catarino mit leuchtenden Augen. «Dass er Protestant geworden ist? Und sich in ein protestantisches Mädchen, noch dazu eine von niederer Herkunft, verliebt hat? Und mit ihr durchgebrannt ist?» Ihr verklärter Blick zeigte deutlich, wie romanesk und rührend sie diese Geschichte fand. Cristino, gute Katholikin die sie war, rümpfte pflichtschuldig die Nase.
    «Er war so anders als sein Vater», sagte Tante Beatrix leise. «Ehrlich, gutmütig, weltoffen. Er wollte niemandem Böses. Sein Vater wollte einen Juristen aus ihm machen, wie er einer war, aber er ist dem Studium nur lustlos gefolgt. Er hat all das verabscheut – die Härte, den Fanatismus, die Grausamkeit, mit der sein Vater gegen alle vorging, die er für Verbrecher oder Irrgläubige hielt. Manchmal habe ich mich gefragt, ob er vielleicht nur aus Protest gegen 556
    seinen Vater zum Protestantismus übergelaufen ist.» Sie starrte ins Leere. In ihren schwarzen Augen spiegelte sich ein ferner Sonnenuntergang. «Er ist bereits Anfang der 40er Protestant geworden
    – heimlich, er wusste, sein Vater würde es nie tolerieren. Und seit damals liebte er dieses Mädchen. Sie ließen sich heimlich trauen, von einem protestantischen Geistlichen.» Sie atmete wieder schwerer. «Es konnte nicht ewig gut gehen, das wussten wir alle. Maynier hatte seine Spione überall. Es war klar, dass er es eines Tages herauskriegen würde. Wie er es letztlich erfuhr, weiß ich nicht. Irgendwer hat geredet, vielleicht ein verhafteter Protestant in der Hoffnung, so dem Tod zu entgehen.» Sie nagte verbissen an ihrer Unterlippe. «Ich werde diesen Abend nie vergessen», murmelte sie.
    «Es war 1544. Ich war auf dem Rückweg von einem Kranken bei meinem Bruder vorbeigegangen – heimlich, es war uns nicht oder nur mit einer Sondererlaubnis gestattet, Verwandte zu besuchen. Wir saßen zusammen und unterhielten uns, als plötzlich wie wild an die Tür geklopft wurde. Wir machten auf, und Philippe und seine schwangere Frau standen vor der Tür. Er war völlig durcheinander. Er sagte, sein Vater habe alles herausgefunden und sei auf der Suche nach ihnen. Er flehte uns an, ihm zu helfen. Vater bringt uns um, wenn er uns erwischt,

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