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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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beschäftigt, verurteilte Räuber vom Schafott zu holen und despotische Adlige zu nerven, er war allem Anschein nach auch ein Verfechter der provenzalischen Selbständigkeit, so stellen es zumindest eine Menge der adligen Herren hin, mit denen ich das Vergnügen hatte zu plaudern. Unsere lieben Freunde Buoux und Bonnieux reden von ihm wie von Papa Moses persönlich.»
    «Buous und Bonieus? Sie kennen Carfadrael?»
    «Fabiou, so gut wie jeder, mit dem ich gesprochen habe, kannte Carfadrael oder hatte zumindest den Namen schon einmal gehört. Einige hielten ihn nur für eine Legende, wie dein Crestin, aber eine ganze Reihe konnte mir extrem Konkretes über ihn erzählen. Wo561
    bei das, was man mir erzählt hat, zum Teil ganz schön auseinanderging. Bei den einfachen Leuten herrschte die erwähnte Robindu-Bois-Theorie vor – der gute Ritter, der sich für die Armen und Entrechteten einsetzt, teilweise mystifiziert zu einem märchenhaften Sagenwesen, dem Geist eines Gralsritters oder so ähnlich. Es gibt da so eine Legende, die ich heute ein paar Mal gehört habe, dass irgendwelche Ketzer vor vielen Jahren auf einer Burg namens Montségur belagert worden seien, und vor dem Fall der Burg haben sie den Heiligen Gral, der sich in ihrem Besitz befand, in einer Höhle verborgen. Erst wenn er wieder ans Licht gelangt, werden auch wieder das Gute und die Gerechtigkeit in der Welt Einzug halten.»
    «Ja, die Geschichte von den Katharern. Kenne ich. Aber was hat das mit Carfadrael zu tun?»
    «Mindestens drei Theorien: Erstens, er ist ein übriggebliebener Katharer, der mit dem Gral in der Höhle blieb und jetzt wieder herauskam, um dem Gral den Weg zu bereiten; zweitens, er ist ein Mensch aus Fleisch und Blut, der den Gral suchte und fand und dadurch unverwundbar wurde; drittens, er ist ein direktes Überbleibsel von König Arthurs Tafelrunde. Wunderschöne Geschichten, wirklich, eine abstruser als die andere!»
    «Hm», sagte Fabiou.
    «Was hm?»
    «Ich dachte bloß gerade… komisch!»
    «Was ist komisch?»
    Fabiou schüttelte irritiert den Kopf. «Catarino hat dauernd behauptet, Carfadrael sei der Name eines Gralsritters.»
    «Na, offensichtlich hat ihr ihr Kindermädchen auch mal eines dieser Märchen erzählt.»
    «Sie meint, es wäre Vater gewesen», murmelte Fabiou.
    «Na, wer auch immer. Die Bürgersleute und die Adeligen, um zur Realität zurückzukehren, hatten etwas weniger romaneske Geschichten über Carfadrael zu berichten. Nach allgemeinem Dafürhalten war er wohl in der Tat ein Edelmann, wie eure Suso sagte. Wer genau er war, weiß keiner, in den wenigen Fällen, wo er gesehen wurde, war er in irgendeiner Form maskiert. Ihm zur Seite standen so zehn oder fünfzehn weitere Männer, angeblich ebenfalls Adlige.»
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    «Die Bruderschaft», sagte Fabiou.
    «Jawohl, so nannte man sie, und so nannten sie sich selber. Sie hinterließen wohl manchmal Schreiben an den Schauplätzen ihrer Taten, in denen sie sich als Urheber zu erkennen gaben, gar nicht so unähnlich den Antonius-Jüngern, nur etwas eloquenter. Die Schreiben waren unterzeichnet mit ‹Bruderschaft des Heiligen Grals›.»
    «Das heißt, die Gralsgeschichte hat also einen konkreten Ursprung?»
    «Genau. Und jetzt kommt das Beste: Der Buoux erzählte auch von einer Gruppierung innerhalb dieser Bruderschaft, eine Art Führungsgremium oder was auch immer. Und rate mal, wie diese Gruppe sich nannte!»
    «Keine Ahnung.»
    Sébastiens Augen funkelten. «Qua-dri-ga», sagte er, jede Silbe betonend.
    Fabiou stand der Mund offen.
    «Nun», fuhr Sébastien fort, «diese Bruderschaft machte in der zweiten Hälfte der 30er und in der ersten der 40er Jahre dieses Jahrhunderts durch allerlei gesetzeswidrige, aber äußerst populäre Handlungen auf sich aufmerksam. Sie hat wohl nicht nur Joan lou Pastre vor dem Galgen gerettet, sondern noch eine ganze Reihe anderer Leute, meist kleine Diebe oder Menschen, die von korrupten Richtern verurteilt wurden, die sich ihrer Habe bemächtigen wollten. Daneben gab es noch eine Menge anderer Taten, die ihnen die Sympathie weiter Bevölkerungskreise eintrug. So wurde mehrfach der Steuereintreiber der Krone ziemlich frech boykottiert, und den königlichen Intendanten schnappten sie sich mal in der Coumbe de Lourmarin und ließen ihn ‹Wegezoll› zahlen. Das Geld kippten sie dann in Arle auf dem Marktplatz aus. Aktionen wie diese, die offensichtlich gegen die französische Staatsgewalt gerichtet waren, brachten ihnen neben der

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