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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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weg, denk an das, was ich gesagt habe, und wieder schrie das Mädchen, drehte sich um und rannte. Der Jäger beachtete sie nicht. Er trat auf das Opfer zu, das vor ihm in seinem Blut kniete, packte es an den Haaren und riss seinen Kopf nach hinten. Dann stand er da und starrte in die Augen der Beute, und für einen Moment lag ein gehetzter, verzweifelter Ausdruck in diesen Augen, der das Gefühl der Scham und Erniedrigung in seinem Innern betäubte. Mit einem erleichterten Lächeln hob er sein Messer und setzte es dem Opfer an die Kehle.
    Und in diesem Augenblick veränderte sich der Ausdruck in Hector Degrelhos Augen, verschwand die Panik, das Entsetzen daraus, und seine Lippen verzerrten sich zu einem wilden, triumphalen Lächeln.
    «Louise», sagte er.
    Mit einem Wutschrei zog der Jäger das Messer durch die Kehle seines Opfers, Blut schoss in einem Strahl hervor, und die dunklen Augen verloren ihren Blick.
    Hinter dem Jäger war Geschrei zu hören, er sah sich um und starrte auf die Kriegsknechte, die versuchten, ein Pferd aufzuhalten, das durch ihre Reihen preschte. Das schwarzhaarige Mädchen saß auf seinem Rücken, sah in seine Richtung und schrie etwas, was er nicht verstand. Es war ihm gleich, er war erniedrigt, er trat auf den Toten zu seinen Füßen ein und brüllte vor Wut, bis er einsah, dass es sinnlos war, der Erfolg vertan, die Jagd verloren. Erst als einer der Kriegsknechte ihn daran erinnerte, dass sein Auftrag noch nicht vollständig erledigt war, gelang es ihm, sich wieder zu beruhigen.
    Von der Gran Relogi schlug es Mittag. Der Fremde packte seine Arkebusen ein, verstaute den Pulverbeutel und den Sack mit den Bleikugeln, holte einen Schleifstein hervor und begann, sein Jagdmesser zu schärfen. Es gab noch einiges zu tun.
    ***
    582
    Das Hôtel der Mergoults lag am unteren Ende der Carriero drecho Nosto Damo, kurz bevor sie in die Plaço dei Gran Relogi mündete. Die Carriero drecho war nicht gerade die breiteste Straße von Ais, so dass der Verkehr in dieser Straße an jenem Abend ziemlich darniederlag mit all den jungen Damen und Herren, die dem Eingang zuströmten. Vor allem mit den jungen Herren, die es sich nicht nehmen lassen konnten, direkt vor dem Eingang vom Pferd zu steigen und dasselbe einem Diener zu übergeben, statt dies auf der Plaço dei Gran Relogi zu tun oder gar zu laufen – die meisten wohnten schließlich in der unmittelbaren Nachbarschaft. Alexandre de Mergoult hatte offensichtlich weder Kosten noch Mühe gescheut, diesen Abend zu einem unvergesslichen Fest für alle werden zu lassen. Der Saal im ersten Stock des Hôtels strahlte und funkelte vor brennenden Kerzen und kristallenen Kandelabern, entlang der Wände und über den Saal verteilt standen Diener mit silbernen Tabletts, auf denen sie den Eintreffenden kleine Häppchen und Süßigkeiten reichten, dazwischen die Diener, die die Gäste mitgebracht hatten, auf Anweisungen ihrer Herrschaft wartend. Es waren in erster Linie junge Leute anwesend, von den Dienern und einigen ältlichen Tanten, die als Anstandsdamen mitgekommen waren, einmal abgesehen, und die Musikanten in der hinteren Ecke des Raumes dudelten schon beim Eintreffen der Gäste die momentanen Lieblingsstücke der Jugend. Die besondere Attraktion des Abends war eine große Laterna magica, die von einem Diener betätigt wurde und beständig bunte Lichtgestalten in der Form von Fabelwesen über die Wände gleiten ließ, was vor allem die jungen Damen in Entzückung versetzte. Kurz und gut, Cristino und Catarino waren bezaubert, kaum dass sie die Schwelle des Hauses überschritten hatten.
    Alexandre de Mergoult hielt eine kurze Ansprache, in der er seine Gäste begrüßte, um dann ziemlich nahtlos zum vergnüglichen Teil des Abends überzuleiten, das heißt, er riet allen anwesenden Herren, sich die Dame ihres Herzens zu greifen und mit ihr der Tanzfläche zuzustreben, was die Musikanten unterstrichen, indem sie sofort eine Gaillarde anstimmten. Dies gesprochen, schritt der ältere Mergoult an den Reihen der Gäste vorbei, um vor niemand 583
    anderem als Cristino stehen zu bleiben, vor der er sich verneigte und sagte: «Barouneto, darf ich um diesen Tanz bitten?»
    Cristino antwortete etwas, was wie «grmspfl» klang und wurde rot wie eine erntereife Erdbeere, ließ sich aber widerstandslos auf die Tanzfläche ziehen.
    Anders als die Ardoches war die Familie Mergoult sehr wohl in der Lage, einen eigenen Tanzmeister zu beschäftigen. Es handelte sich um einen

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