Die Kinder des Ketzers
interessierte ihn nicht weiter. Die Mädchen waren unwichtig. Auf ihn wartete eine wichtigere Beute. Auf ihn wartete Hector Degrelho.
Und dann kam die Niederlage.
Im ersten Moment hatte es ihn gefreut, dass sein Opfer ein ebenbürtiger Gegner war, ein stolzer Hirsch, mutig, schnell und kühn, kein wehrloser Hase, den ein Knabe in einer Schlinge fängt. Als wahrer Jäger liebte er es, wenn die Beute ihm einen Kampf lieferte, statt sich wehrlos abschlachten zu lassen. Dass er in diesem Kampf Sieger bleiben würde, daran hatte er nicht gezweifelt, niemand war in der Lage, ihm standzuhalten.
Doch dieses Mal war es anders. Der Kampf dauerte keine zwei Minuten. Dann hatte Hector Degrelho ihm den Degen aus der Hand geschlagen und ihm eine Wunde am Oberschenkel zugefügt, die ihn auf dem Waldboden zusammenbrechen ließ. Nie zuvor hatte er sich so erniedrigt gefühlt wie in diesem Moment, als er keuchend auf der feuchten Erde lag und seine vermeintliche Beute auf ihn herabsah. Hector Degrelho schenkte ihm ein seltsames, grimmiges Lächeln, tippte sich in einer Art Salut gegen die Hutkrempe und stürzte sich in seinen letzten Kampf.
Unter anderen Umständen hätte er es genossen, den Kampf, der nun folgte, zu beobachten. Der Hirsch kämpfte mit dem Mut und der Schönheit, die nur der Todgeweihte besitzt. Da waren zehn Männer, die ihn gleichzeitig angriffen, und doch war keine Angst in seinen Augen, obwohl er wissen musste, dass seine Stunde gekommen war. Und es ging lange, länger als erwartet, er blutete aus unzähligen Wunden, doch seine Kräfte ließen nicht nach, wieder und wieder wehrte er ihre Schläge ab, die wie ein Hagelschauer auf ihn niedergingen.
Letztlich waren es die Frau und der Junge, die den Hirsch zu Fall brachten. Die Frau hatte einem gestürzten Kriegsknecht die Waffe entrissen und rannte im Zickzackkurs über die Lichtung auf das Unterholz zu, den Jungen am Arm hinter sich herziehend. Die Bäume waren schon nahe, als der Waffenknecht ihnen entgegentrat, breit wie ein Bär und hässlich wie ein Dämon, das blitzende 580
Schwert lachend über dem Kopf schwingend. Sie packte ihre Waffe mit beiden Händen und es gelang ihr in der Tat, den Schlag abzufangen, er warf sie auf die Knie, verletzte sie aber nicht; sie rollte sich beiseite und sprang wieder auf die Füße.
Der zweite Waffenknecht trat ihr in den Weg, als sie weiterrennen wollte, und sein Schwert zielte auf den Körper des Jungen. Mit einer blitzschnellen Bewegung riss die Frau den Jungen hinter sich, und dann erstarrte sie, im Bruchteil eines Augenblicks aus dem Lauf gerissen, und als der Waffenknecht das Schwert zurückzog, sprudelte das Blut wie ein Springbrunnen aus ihrer Brust und ihrem Rücken, und sie stürzte. Es war ein trauriger Anblick, der selbst den Jäger mit Schmerz erfüllte, doch den Hirsch ließ er einen Schrei ausstoßen, der wie das Brüllen eines Löwen klang, und der Junge stand und starrte auf den Körper seiner Mutter und starrte auf den Kriegsknecht, der lachte und das Schwert ins Blau des Himmels schwang, und wieder brüllte der Hirsch, und das Schwert sauste herab, und das Blond der Haare des Knaben verwandelte sich in tiefes Rot.
Und der Hirsch fiel. Als der Körper des Jungen auf den Boden schlug, war es, als hätte einer einen Dolch in seine Brust gestoßen, er stand, reglos und starr, den Degen gesenkt, und augenblicklich fiel die Meute über ihn her, ein Schlag mit einem Schwert traf seinen rechten Unterschenkel und ließ ihn straucheln, der nächste spaltete seine linke Kniescheibe, und er sackte auf die Knie. Noch einmal riss er den Degen in die Höhe, versuchte einen Angreifer abzuwehren, doch sie waren zu viele, zwei Stiche trafen ihn in den Rücken, und als er zusammensackte, traf ein Schwerthieb seinen Degenarm kurz über dem Handgelenk, und seine Waffe klirrte zu Boden.
Der Kampf war vorbei. Der Gejagte kniete auf dem Boden, in einer Blutpfütze, in der sich die Sonne spiegelte, und starrte auf seine Hand, die zu zwei Dritteln abgetrennt in einem Neunzig-GradWinkel nach links abstand. In seinem Gesicht lag weder Schmerz noch Angst, nur so etwas wie ein unfassbares Erstaunen. Der Jäger kämpfte sich auf die Füße und zog sein Jagdmesser aus dem Gürtel. Hinter ihm schrie jemand, das Mädchen mit den 581
schwarzen Haaren und dem dunkelblauen Kleid, das neben dem toten Jungen kniete. Vater, kreischte sie und sprang auf die Füße. In diesem Moment bäumte sich der Gejagte auf. Louise, schrie er, lauf
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